Poesie und Energie in Linien, Farben und Worten

Emden. Die Kunsthalle steht derzeit ganz im Zeichen von Werken, die Energie ausstrahlen. Neben den „Bildern wie Energiemaschinen“ aus der Sammlung Otto van de Loo und den kraftvollen Gemälden des Expressionismus ist nun eine dritte Ausstellung einer jungen Niederländerin im Atrium des Hauses dazugekommen, die ebenfalls dynamisch präsent ist. „Lotte Wieringa. Under warm wings and round eggs“. Am Freitag (11. April) fand die Eröffnung statt, zu der auffallend viele junge Leute gekommen waren.

Lotte Wieringa im Gespräch mit Kuratorin Marike Klaaßen … Bilder: Wolfgang Mauersberger

Arbeiten junger niederländischer Künstler sind für die Kunsthalle Emden ein Thema, das seit 2021 stattfindet. Ort dieser Ausstellungen ist das Atrium, das den Newcomern zur Verfügung gestellt wird. Lotte Wieringa (Jahrgang 1991) hatte sich schon im letzten Sommer die Räumlichkeiten angesehen und eigens dafür neue Bilder gemalt, die bis zum 18. August gezeigt werden. Der Titel ist dem Sciencefiction-Roman einer amerikanischen Autorin entnommen und verleiht nun den groß- und kleinformatigen Gemälden ein poetisches Umfeld.

Seit vier Jahren, so erklärte die junge Künstlerin in einem kurzen Gespräch mit Kuratorin Marike Klaaßen, werde sie dabei von einem Strukturelement begleitet, das aus der Ferne wie eine zufällige Krakelei anmutet, wie mit einem Kugelschreiber auf die Leinwand gebracht. Doch die scheinbar mit leichter Hand erzeugten Linienmuster entstehen, so schilderte es die wissenschaftliche Direktorin der Kunsthalle, Lisa Felicitas Mattheis, unter wahrhaft anstrengenden Bedingungen. Denn sie sind das Ergebnis eines komplexen Druckverfahrens. Erst danach kommt Farbe ins Spiel, die in ekstatischer Weise dem Blatt Charakter verleiht.

… und mit Oberbürgermeister Tim Kruithoff sowie Museumsdirektorin Lisa Felicitas Mattheis

Da ist zum Beispiel das zentrale Werk, das denselben Titel trägt wie die Ausstellung. Die Signalfarbe Rot, die sie hier drastisch über dem Stricheraster in Szene setzt, bedeute ebenso Gefahr wie Wärme und spiele mit emotionalen Gefühlsebenen, sagt Lotte Wieringa. Nicht jede Arbeit – jede ist mit einem Textzitat beschriftet – gelinge sofort. Manchmal benötige sie mehrere Anläufe, um ihre Intention zum Ausdruck zu bringen. So sei das Bild in Rot der vierte, nunmehr gelungene Versuch. Ein ebenfalls ausgestelltes Dipthychon gelang erst beim dritten Ansatz. An das Publikum erging während der Eröffnung die Empfehlung, sich auf diese intuitiv assoziative Kunst, die mit Linien, Farben und Worten spielt, einzulassen.

Blick ins Atrium der Kunsthalle mit den Arbeiten von Lotte Wieringa

Lotte Wieringa studierte an der Willem de Kooning Akademie in Rotterdam, wurde mehrfach für den Royal Prize for Painting nominiert und erhielt zuletzt ein Stipendium des Boijmans van Beuningen Museums. Heute arbeitet sie in Rotterdam und Berlin. Die Künstlerin wollte zunächst Lehrerin werden, entschied sich dann aber um. Zunächst arbeitete sie Skulpturen, doch dann entdeckte sie die Malerei für sich.