Goeters-Preis für „glänzende Pionierleistung“
Emden. Im Rahmen der 14. Emder Tagung der Gesellschaft für die Geschichte des reformierten Protestantismus e.V. in der Johannes a Lasco Bibliothek ist der 32-jährige Kulturhistoriker Lennart Gard für seine Dissertation mit dem J. F. Gerhard Goeters-Preis ausgezeichnet worden. Der Preis, der mit 2000 Euro dotiert ist, wird von der Gesellschaft alle zwei Jahre ausgelobt – für eine besondere Dissertation oder Habilitation zu einem reformierten Thema.

Gard stammt aus der Nähe von Trier, studiert an der Freien Universität Berlin und ist dort derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter. Seine Doktorarbeit beschäftigt sich mit einer schwärmerischen Sekte des 18. Jahrhunderts, den Engelsbrüdern. Der genaue Titel der 2023 eingereichten Arbeit: „Die Entdeckung der Engelsbrüder. Religiosität, Gemeinschaftlichkeit, Kommunikation um 1700“. Um in dieses vielschichtige Thema einzudringen, analysierte Gard rund 17 500 Briefe des Förderers der Gemeinschaft, Johann Wilhelm Uberfeld (1659 bis 1731), um aufzuzeigen, wie ein religiöses Miteinander jenseits verfasster Gemeinschaften funktioniert.

Die Briefe Uberfelds, eines erklärten Reformierten, enthielten nämlich nicht allein religiöse Themen, sondern seien eine „gute Quelle für Ehe, Kleidung, Ernährung, Wohnen“, erklärte Lennart Gard in seinem kurzen Vortrag über seine Arbeit, die mit „summa cum laude“ bewertet wurde.

Die Verleihung war aber auch aus anderen Gründen ungewöhnlich. Denn ein Teil des Materials, das Gard bearbeitete, fand sich im Nachlass von Wilhelm Goeters, Vater des Gerhard Goeters, erläuterte Laudator Professor Dr. Marco Hofheinz (Hannover). Wilhelm Goeters habe auch das einzig bekannte Porträt Uberfelds in seinem Besitz gehabt. Hofheinz nannte die Arbeit eine „glänzende Pionierleistung“, die ganz klar in den Bereich des reformierten Protestantismus gehöre.

Professor Dr. Marco Holfheinz


Professor Dr. Andreas Wirsching
Auch Professor Dr. Martin Sallmann (Bern), Vorsitzender der Gesellschaft, betonte, Gard habe mit seiner Arbeit Neuland betreten. Obwohl die „Engelsbrüder“ in wissenschaftlichen Kreisen nicht unbekannt seien, habe eine solch monografische Studie gefehlt.
Die 14. Emder Tagung stand unter dem Thema „Nationalismus und Calvinismus“. Den Eröffnungsvortrag hielt Professor Dr. Andreas Wirsching (München). Er zeichnete ein düsteres Bild der Zukunft. Schon Martin Sallmann hatte in seiner Begrüßung darauf verwiesen, dass in der derzeitigen politischen Lage Erschütterung darüber herrsche, dass so vieles, was sicher geglaubt wurde, nun in Frage gestellte werde. Wirsching vertiefte diesen Gedankengang, indem er überlegte, ob das 21. Jahrhundert mit Blick auf das 20. Jahrhundert vor einem Wiederholungszwang stehe. Er leitete seine Überlegungen von der Epoche der Aufklärung ab, als die vormoderne Welt sich rasant zu entwickeln begann und damit kulturelle Gewissheiten erodiert seien.
Die Musikalische Gestaltung des Abends lag bei Junges Blech Ostfriesland unter Leitung von Helga Hoogland.
