Hochklassig und exquisit

Das achte Konzert der Gezeiten führte ins rheiderländische Weener

Von Ina Wagner

Weener. Eine weite musikalische Welt wurde da – beim Konzert der Gezeiten in der Georgskirche zu Weener – eröffnet und über Jahrhunderte verfolgt. Das Kuss-Quartett und Blockflötist Maurice Steger entwickelten Kompositionsgeschichte an klingenden Beispielen aus der Zeit zwischen dem Frühbarock und dem 20. Jahrhundert.

Bestens aufgelegt: Maurice Steher mit einer seiner Blockflöten. Bilder: Karlheinz Krämer

Die Kompositionen wurden dabei derart elegant miteinander verwoben, dass der Eindruck entstand, es handle sich hier keineswegs um eine Präsentation von Werken aus additiv aneinander gereihten Musikepochen, sondern um Kompositionen, die als Singularitäten aus dem mächtigen musikalischen Fluss der Jahrhunderte hervortreten, ohne ihn zu verlassen. Zwischen Trauergesang, munteren Tänzen, Variationswerken, einem Concerto bis hin zum barocken Schlaflied reichte die Spanne, wobei nicht die Entstehenszeit des jeweiligen Werkes wichtig war, sondern der mal affektive, mal effektvolle, dann wieder stimmungsgeladene Zugang, den die Komposition bot. Und in so fern passten dann auch die überraschend einbezogenen Fantasien des Harrisson Birtwistle (geboren 1934) problemlos in das vorwiegend barocke Konzertgeschehen. Hier dominierte das zeitlose Moment abstrakter Komposition.

In unterschiedlichen Besetzungen – mal gemeinsam, mal solistisch – wurde Musik von John Bennet, John Adson, Giovanni Coperario, Harrisson Birtwistle, Jacob van Eyck, Antonio Vivaldi, Ludwig van Beethoven und Georg Philipp Telemann dargeboten.

Blendende Spielkultur: das Kuss Quartett.

Wer derart hochkarätige Instrumentalisten wie Jana Kuss und Oliver Wille (Violinen), William Coleman (Viola) und Mikayel Hakhnazaryan (Violoncello), dazu Maurice Steger zum Konzert lädt, der braucht sich keine Gedanken um die Qualität der Darbietung zu machen – die ist einfach hochklassig und exquisit. Doch das Kuss Quartett und der Solist boten mehr als nur inspirative Interpretationen. Sie tränkten die Notenblätter vielmehr mit bewegtem Leben, loteten die Tiefe des Ausdrucks aus, erzeugten bestechende Fülle.

Von der Schnitger-Orgel herunter spielte Maurice Steger „The English Nightingale“.

Der Aufbau des Programms ähnelte konzeptionell etwa dem des Ensemble Reflektor. Man entwickelt einen Roten Faden, verknüpft einzelne Werke auf dieser Linie miteinander, geht von einem Werk ins nächste über, spaltet Stücke geradezu auf, indem die Musik anderer Komponisten eingeflochten wird, und schafft auf diese Weise so etwas wie ein Gesamtkunstwerk, das in der dargebotenen Vielschichtigkeit die Stimmung bestimmter Zeitläufe bündelt. Ein ganz spannendes Konzept, das allerdings für das Publikum in so fern ungewohnt ist, als der Applaus nicht mehr nach jedem Programmpunkt erfolgt, sondern an bestimmten Stellen zentriert wird.

Zweimal 150 Besucher – mehr waren nicht zugelassen. Aber die erzeugten eine Stimmung, als sei der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Und sie quittierten auch die anerkennenden Worte des Blockflötisten Steger mit Begeisterung. Der hatte sich dem Auditorium zugewandt und angemerkt, es sei eine Freude zu erleben, wie sich die Instrumente in diesem Kirchenraum entfalten können. – Und da kann man wirklich nur zustimmen!