„Wir kämpfen für die Melodie!“

Das 22. Konzert der Gezeitenkonzerte führte ins Emder Van-Ameren-Bad – es wurde ein feuchtes Vergnügen

Emden. Diese Veranstaltung wird wohl vielen Besuchern und vermutlich auch den Musikern
nachhaltig in Erinnerung bleiben. Ulrich Tukur & Die Rhythmus Boys standen mal gerade zehn
Minuten auf der Bühne, da fing es an zu pladdern. Und da der Wind ungünstig stand, wurde auch
die Bühne nass. Insbesondere Klavier und Kontrabass litten derart, dass das Konzert unterbrochen
werden musste.

Da war alles noch gut: Vor dem Konzert nahmen die vier Herren im Publikumsraum Platz: Karl-Friedrich Mews, Ulrich Mayer, Günter Märtens und Ulrich Tukur. Bilder: Karlheinz Krämer

Die sommerliche Sonntagsstimmung war im Nu vorbei. 755 Besucher suchten Unterstand, wo
immer er sich ihnen bot. Man verweilt unter den Bäumen, spannte Schirme auf, hüllte sich in
Regenjacken. Jedes Zelt war umlagert, selbst die Toilettenwagen wurden von Schutzsuchenden
aufgesucht, weil der Regen nun in Strömen floss. Ab und an kam Entwarnung. „Ist gleich vorbei,
das Regenfeld zieht weiter.“ Aber wer mochte das angesichts des düsteren Wolkenfeldes schon
glauben?

So war es anfangs für ein paar Minuten: alle vier konzertierend auf der Bühne …

Doch schließlich zeigte sich tatsächlich wieder Himmelsblau. Die Sonne lugte probehalber schon
mal hervor. Der Regen verebbte. Das Klavier war gerettet, der Kontrabass auch. Und um zu
verhindern, dass die Künstler ausrutschen, wurde noch rasch die Bühne getrocknet, wobei das
Gezeiten-Team und die Musiker kräftig mit anfassten und quasi Schulter an Schulter den Wischmob
schwangen.

… doch dann kam der Regen, und weil der Wind ungünstig stand, war die Bühne im Nu klatschnass. Schlimmer noch: Klavier und Kontrabass wurden durchfeuchtet. Tukur nahm schließlich auf einem Handtuch Platz, weil der Regen auch den Schemel erreicht hatte

Solchermaßen war ein Gemeinschaftsgefühl hergestellt, das nahezu alle Besucher auf dem Platz
hielt. Ulrich Tukur kündigte an, man werde nun ohne Pause durchspielen, dafür dürften die
Zuschauer auch während der Vorstellung Nachschub an Getränken und Bratwurst holen. Somit
waren alle zufriedengestellt.

Wegen der Unfallgefahr auf der Bühne wurde das Konzert unterbrochen – und dann galt es zu wischen. Auch Kontrabassist Günter Märtens griff zum Feudel und beteiligte sich – wie auch seine Kollegen und das Gezeiten-Team – an der Trocken-Aktion

Die Truppe firmiert als Tanzkapelle mit Musik der 20er bis 40er Jahre. „Wir kämpfen für die
Melodie“, betonte Tukur irgendwann. Und die Melodie war es dann auch, die die Besucher zum
Wippen und Swingen brachte. Denn musikalisch hatten die Rhythmus-Boys eine Menge drauf –
Instrument spielen, etwas schauspielern, dazu singen. Das können sie alle. Kontrabassist Günter
Märtens, ebenso wie Schlagzeuger Karl-Friedrich Mews sind nicht nur Musiker, sondern auch
Schauspieler, dazu Ulrich Mayer, der eigentlich mal Journalist war. Und da Ulrich Tukur & Die
Rhythmus Boys auch unter der Rubrik „Entertainment“ firmieren, hatten auch alle ihre Aufgaben:
Mayer agierte stimmgewaltig als Ansager „in eigener Sache“, Märtens warf das Jackett ab und tobte
als Rocker über die Bühne, Mews überzeugte mit Schlagzeug-Gewitter.

Anschließend konnte Gitarrist Ulrich Mayer unbesorgt seine Instrumental-Übungen wagen

Frontmann der Truppe aber ist Ulrich Tukur. Und der tat sein Bestes, um die Unbilden des Wetters
wortgewandt zu umspielen. Allerdings wirkten seine moderierenden Ausführungen phasenweise
wie eine Improvisation, bei der man nicht sicher war, in welche Richtung es denn nun gehen sollte.
In manchen Fällen waren die Anmerkungen auch völlig undurchschaubar, etwa, wenn er in langen
Passagen genealogische Zusammenhänge aufbaute, die natürlich völliger Unsinn waren. Daneben
standen aber tatsächliche Fakten, die man als Besucher auf Sinnsuche erkennen musste. Tukur
machte sich mit dem Verrätseln einen Spaß daraus, unter den Besuchern heftigste Verwirrung zu
stiften – die manchmal in ein Gedicht mündete, manchmal auch beim deftigen Herrenwitz landete.

Und auch Schlagzeuger Karl-Friedrich Mews strahlte hinter seinem Set

Zweck des Ganzen war offenbar, die Leidenschaft des Quartetts für die Musik der Ära zwischen
den Goldenen 20ern und den 40er in einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zu bringen
und zu dokumentieren. Das war in der Gewandtheit des Wortes hervorragend präsentiert – den
Quatsch muss man erst einmal im Kopf haben -, aber es wäre gar nicht nötig gewesen. Die tollen
Schlager hätten es durchaus getan – vom Wetterlied des Anfangs bis zu „So wird ’s nie wieder sein“,
oder The devil and the deep blue sea“, oder „Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade“ oder
„Dream a little dream of me“, oder „In the mood“, oder „Everybody loves my baby“. Musikalisch war das
erstklassig.

Das gab es auch noch: Ulrich Tukur und der organisatorische Leiter der Gezeiten, Raoul-Philip Schmidt, beim entspannten Geplauder