Hemmungsloser Musikgenuss

Ein reines Mozart-Programm gab es im Rahmen der Gezeiten-Konzerte in der Nicolaikirche in Wittmund

Von Ina Wagner

Wittmund. Hemmungsloser Genuss – das war in der Kirche in Wittmund Programm. Das Zemlinsky-Quartet und der Hornist Felix Klieser sorgten mit einem Mozart-Abend für großes Wohlbefinden und heitere Laune.

Das tschechische Quartett, benannt nachdem österreichischen Komponisten Alexander Zemlinsky (1871 bis 1942), der 16 Jahre lang in Prag tätig war, legte dabei vor – mit Mozarts „Dissonanzen-Quartett“, dessen erste Takte tatsächlich sonderlich fremd anmuten, sich dann aber zu mozart’schem Wohllaut entwickeln.

František Souček, Petr Střίžek (Violinen), Felix Klieser (Horn), Vladimir Fortin (Violoncello) und Petr Holman (Viola) spielten vor dem Kanzelaltar der Kirche zu Wittmund. Bilder: Karlheinz Krämer

Die Kritiker Mozarts waren harsch in ihrem Urteil über KV 465. So befand der Musiktheoretiker und Komponist Gottfried Weber (1779 bis 1839) etwa „Die ersten acht bis neun Tacte dieser Einleitung hatten schon gleich nach dem ersten Erscheinen dieser Quartette grosse Sensation erregt und den Ohren der Hörer nicht recht behagen wollen.“ Heute ist das wohl noch kaum ein Thema, zumal, wenn sich Könner wie die vier Musiker des Quartetts dessen annehmen. Und nicht nur ihr Spiel war großartig. Denn der zweite Geiger, Petr Střίžek, lieferte eine Show, die Spaß machte, denn er spielte die Musik, aber er schauspielerte sie auch. Er grimassierte, kontaktierte seine Mitspieler, blickte sich munter um, ging mit dem Schwung der Musik mit, manchmal hob es ihn regelrecht aus dem Sitz. Und als Hörer konnte man allein schon an seinem Minenspiel erkennen, wie sich die Musik entwickelt. Das war ganz köstlich anzusehen.

Lieferte in zweifacher Weise ein sehenswertes Spiel: Geiger Petr Střίžek

Diese kommentierende Begeisterung zog sich auch hinüber zu den zwei Hornkonzerten, die das Quartett mit dem Hornisten Felix Klieser spielte. Makellos spielte – muss man sagen. Die technischen und virtuosen Möglichkeiten des armlos geborenen Hornisten sind enorm – wie sich nicht zuletzt an der Kadenz des Hornkonzertes Nr. 2, KV 417 zeigte.

Kuriose Geschichten sind beliebt, und Klieser kann nicht nur Horn spielen, er hat zudem eine sehr wortgewandte Art, kleine Anekdoten zu erzählen. Etwa indem er das Verhältnis zwischen Mozart und dem Hornisten Joseph Leitgeb (1732 bis 1811) thematisierte und beschrieb, in welch drastischer und derber Weise der große Komponist den zumeist darbenden Instrumentalisten, der immer wieder Horn-Konzerte bei dem Meister bestellte, malträtierte.

Coronagemäße Besetzung der Bänke in Wittmund. Dennoch war die Kirche – nach Maßgaben der Pandemiebeschränkungen ausverkauft.

Klieser, der gerade „Artist in Residence“ beim Bournemouth Symphony Orchestra geworden ist, hatte auch eine Antwort auf die Frage parat, warum Mozart vier verschiedenfarbige Tinten verwendete, um die Partitur für das Hornkonzert KV 495 zu schreiben. Der ewig klamme Leitgeb habe – wohl um den Komponisten wegen einer weiteren Bestellung gnädig zu stimmen – als Geschenk für Mozart aus seinem Haushalt genommen, was entbehrlich war, nämlich vier Tintenfässer mit jeweils andersfarbigem Inhalt. Diese habe Mozart umgehend verwendet, um dem Leitgeb ein neues Hornkonzert zu schreiben. – Wenn’s nicht wahr ist, ist’s zumindest gut erfunden.

Das schöne Konzert begeisterte derart, dass der Schlusssatz von KV 495 als Zugabe nochmals erklang. Der Deutschlandfunk sendete das Konzert live. Wer es noch einmal hören möchte, der kann das am 5. September um 11 Uhr tun. Dann erklingt es im „Sonntagskonzert“ bei NDR Kultur.

► Das Zemlinsky-Quartet spielte in der Besetzung: František Souček, Petr Střίžek (Violinen), Petr Holman (Viola), Vladimir Fortin (Violoncello).

Zarte Annäherung an normale Festival-Gewohnheiten: etwas Catering, etwas Informationen auf dem Wittmunder Kirchplatz.