Schwer lastender Abend

Emden. Mit den Thema „Seelsorge im Widerstand“ hatte sich die Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek ein enorm schwer lastendes Vorhaben auf die Fahnen geschrieben. Und es wurde dann tatsächlich auch so schwerwiegend wie gedacht. Der emeritierte Rechtshistoriker Dr. Christoph Ulrich Schminck-Gustavus führte die Gäste in der sehr gut besuchten Bibliothek in die letzten Kriegsjahre, als Menschen in Haftanstalten und Konzentrationslagern in Massen hingerichtet wurden. Zu diesen gehörte der Theologe Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffers Freund, Pastor Harald Poelchau, dagegen stand – obwohl auch er sich ebenfalls im Widerstand befand – in Staatsdiensten und begleitete als Seelsorger mehr als 1000 Menschen zur Hinrichtung.

Schminck-Gustavus führte im wesentlichen mit Zitaten und Bildern durch den Abend – und mit Musik von Johann Sebastian Bach, die immer wieder in Ausschnitten erklang. Die Bilder zeigten Zellen, Gefängnisse, Konzentrationslager, Hinrichtungsorte und Gerätschaften, um Menschen zu Tode zu bringen. Vieles ist inzwischen vergangen, abgerissen, manches auch vergessen. Da zeigte sich der Rechtshistoriker als Bildarchivar.

So entfaltete sich das Leben und Fühlen von Poelchau in situativen Momenten, die den ganzen Druck und die Unwirklichkeit einer unglaublichen Zeit aufzeigten. Poelchau fand, trotz seiner Dienstverpflichtung, Möglichkeiten zum Humanismus in einer inhumanen Umgebung. Er beförderte Kassiber, hielt Kontakt zu den Angehörigen, versteckte Juden, lud die Gefangenen zum Kirchgang ein, auch wenn sie keine religiöse Bindung hatten, um ihnen zu ermöglichen, auf Zeit aus ihren engen Zellen herauszukommen.

Die erste Hinrichtung, die er begleiten musste, war für ihn schrecklich und hatte schwere Übelkeit zur Folge. Poelchau schreibt über seine Erfahrungen ein Buch, in dem er seine Jahre im Gefängnis akribisch beschreibt. Dabei erhält man Einblick in ein Regime, das sich in menschenverachtender Weise nicht entblödet, den Angehörigen Gebühren für die Tötung abzuverlangen. 766,80 Reichsmark wurden per Rechnung gefordert. Von Poelchau stammen auch genaue Beschreibungen der heute nicht mehr oder nur noch teilweise vorhandenen Hinrichtungsstätten.

Über Dietrich Bonhoeffer hat Schminck-Gustavus ebenfalls ein Buch verfasst: „Der Tod auf steilem Berge“. In diesem schildert er jene Ereignisse, die in vielen Aktenmetern dokumentiert sind. Bonhoeffers Verhaftung, seine Haltung zur Bekennenden Kirche, der der streitbare Theologe vorwirft, sie habe sich letztlich nur mit sich selber beschäftigt. Der Rechtshistoriker schildert, dass Bonhoeffer nur noch in der Schweiz publizieren kann, dass er überlegt auszuwandern, dies aber letztlich unterlässt, dass er gegen Zweifel ankämpfen muss, dass es gelingt, über einen Wachmann Kassiber nach außen zu schmuggeln. Aber alles ist vergeblich, schließlich wird Bonhoeffer hingerichtet, acht Tage vor Kriegsende.

Schminck-Gustavus, der dem Wunsch der Eltern, nicht seinem eigenen folgend, Jura studierte, sieht nach eigenen Angaben die Motivation seiner Beschäftigung mit der Nazi-Vergangenheit darin, Juristen klar zu machen, in welche Vorgänge sie verstrickt waren, welch schlimme Dinge damals in ihrem Namen geschehen sind. An diesem Abend in Emden ist ihm das gelungen, und wohl kaum ein Besucher ist ohne gehöriges Schaudern nach Hause gegangen.

Einleitung und Schlusswort wurden von Pastor Bert Gedenk gesprochen, so dass sich letztlich ein geschlossener Rahmen ergab. Die Buchhandlung Am Rathaus lieferte Material zum Nach- und Weiterlesen.