Ein Zentrum moderner ostfriesischer Kunst

Emden. Am Anfang steht ein Wortungetüm. Die StibiKu ist die Stiftung für bildende Kunst und Kultur in der deutsch-niederländischen Ems-Dollart-Region. Vor zehn Jahren gegründet, umfasst die Sammlung heute mehr als 1000 Gemälde, Grafiken, Zeichnungen und Skulpturen des 20. und 21. Jahrhunderts aus Ostfriesland. Am 15. September wird dieser Jahrestag gefeiert. Doch was verbirgt sich hinter dieser Sammlung, die einen langen Weg zurückgelegt hat, ehe sie heute im Ostfriesischen Landesmuseum Emden gezeigt werden und auch immer noch erweitert werden kann.

Szenenwechsel in der Neuen Galerie: Dr. Annette Kanzenbach, Dr. Walter Baumfalk, Herbert Müller und Dr. Reinhold Kolck vor Gemälden von Herbert Gentzsch, Friedrich Grebe und Paul Ernst Wilke. Bilder: Wagner

Es war der Auricher Jurist Dr. Walter Baumfalk, der in den 70er Jahren ein Hobby suchte, das möglichst eine andere Fassette aufbieten sollte als Paragraphen und Rechtsfälle. Also fing Baumfalk an, Ausstellungen mit bildender Kunst zu besuchen und Kunst zu kaufen. Aber er tat noch mehr. Gemeinsam mit seiner Frau traf er sich mit den Künstlern in ihren Ateliers, führte lange Gespräche, suchte immer wieder die Begegnung, den Diskurs. Das Ehepaar fühlte sich bereichert durch diese aktuelle regionale Kunst. Wenn heute über die ersten Jahre geredet wird, dann gesteht ihm Künstlerfreund Herbert Müller zu: „Herr Baumfalk hat nie gefragt, was gerade „in“ ist, sondern hat sich auf seinem ganz eigenen Weg nie beirren lassen.“

Natürlich landet man beim Gespräch über regionale Kunst schnell auch beim Begriff „Heimat“ und „Heimatmaler“. Diese Begriffe haben heute aber nichts „Tümelndes“ mehr. „Heimat ist wieder aktuell“, sagt auch Dr. Annette Kanzenbach. Die Kuratorin der Gemäldesammlung des Ostfriesischen Landesmuseums ist zugleich Geschäftsführerin der Stiftung. Sie fasst ihr Statement so zusammen: „Mit der Wiederwertschätzung der eigenen Umgebung ist Heimat populär geworden.“ Herbert Müller, der als Bildender Künstler in der Nähe von Marienhafe lebt, spürt dies seit einiger Zeit auch ganz direkt. „Es kommen immer mehr jüngere und junge Leute zu mir ins Atelier, die bewusst vor Ort Bilder kaufen.“

Herbert Müller mit seinem „Blick auf Emden II“ von 2017. Es gibt noch eine „Nr. 1“, die derzeit das Standesamt im Maria-Wilts-Haus schmückt.

Baumfalk hatte rund 600 Gemälde, Skulpturen, Graphiken gesammelt, als er begann, nach Möglichkeiten zu suchen, die Objekte auszustellen. Vor allem wollte er sicherstellen, dass seine Sammlung auch gezeigt wird – nicht nur dann und wann in Ausstellungen, sondern als ständige Galerie. Denn Kunst im Magazin nutzt niemandem, sagt er. Aurich und Leer boten sich an, doch Baumfalk wählte schließlich das Landesmuseum in Emden. Ein Museum sei ein sicherer Ort, an dem die Kunst auch fachgerecht betreut und ausgestellt werde. Und bei einem Kunstverein wie der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer, die bereits 200 Jahre alt sei, müsse man nicht befürchten, dass deren unmittelbare Zukunft gefährdet sei. „Das ist etwas Bleibendes – ebenso wie das Museum!“ Und das sieht er nun als „ein Zentrum für die zeitgenössische bildende Kunst in Ostfriesland.“

Vor zehn Jahren gab Walter Baumfalk also seine private Sammlung in die Stiftung. Eine Ausstellung mit Bildern aus seiner Sammlung hatte in kurzer Zeit mehr als 10 000 Besucher – ein Argument auch für den Rat der Stadt. Stadt und Kunst sind die gemeinsamen Träger des Hauses, und somit mussten beide Gremien dem Plan Baumfalks zustimmen. Der Vorsitzende des Stiftung und ehemalige Vorsitzende der KUNST, Dr. Reinhold Kolck, beurteilt die zugewandte Resonanz auf heimische Kunst auch unter dem Aspekt des Kulturtourismus. „Städtetourismus ist ja heute vor allem Kulturtourismus“, betont er und verweist darauf, mit welcher Sorgfalt man bei der Erweiterung der Sammlung vorgehe und welch hohe Maßstäbe man an die Qualität der Neuzugänge anlege. „Längst nicht alles, was wir angeboten bekommen, landet schließlich bei der Stiftung.“ Der Beirat der Stiftung sei anspruchsvoll und scheue sich nicht, Angebote zurückzuweisen, die zur Verdichtung der Sammlung nicht beitragen.

„Stardust 5“ ist der Titel dieses Bildes von Marikke Heinz-Hoek, das 2015 entstand. Auf der Basis einer NASA-Fotografie, die vom Hubble-Teleskop aufgenommen wurde, zeichnete sie mit Edding die Landschaft des Rheiderlandes in das Bild hinein.

Künstler, deren Bilder in die Kollektion der StibiKu aufgenommen werden, empfänden dies als eine Würdigung und Wertschätzung ihrer Arbeit. Baumfalk indessen kauft weiter. Rund 150 Bilder und Grafiken sind es bereits wieder, die die Wände in seiner Wohnung füllen. Und er hat bereits angekündigt, dass es Zustiftungen geben wird. Doch er hat die Erträge seiner Künstlergespräche auch noch in anderer Weise festgehalten. Das Lexikon „Bildende Kunst in Ostfriesland im 20. und 21. Jahrhundert“ ist 2020 bereits in zweiter Auflage erschienen.

► Zum 10-Jährigen gibt es einen „Szenenwechsel“ in der Neuen Galerie im 3. Stock des Ostfriesischen Landesmuseums. Am 15. September wird die Neuhängung um 19 Uhr eröffnet. Dazu ist das Museum bei freiem Eintritt von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Vor dem Eingang in der Brückstraße gibt es Live-Musik. In der Ausstellung werden 60 Werke von 36 Künstlern gezeigt. Die Bilder sind in Gruppen zusammengefasst und werden begleitet von lyrischen Gedanken von Silke Arends. Außerdem wird ein Gewinnspiel angeboten.