Leidenschaftlich und ideenreich


Emden.
Es war ein höchst anregender Abend mit dem ersten Theaterstück der Saison (Dienstag, 5. Oktober). Shakespeares „Sommernachtstraum“ bietet Schauspielern aber auch wirklich ein dankbares Betätigungsfeld. Das Ensemble Persona aus München hatte sich angesichts des weiträumigen Umfelds in der Nordseehalle zu einem laufintensiven, höchst dynamischen Auf- und Abtrittsmodus entschieden. Das heißt: Es ging rund in der Halle – und das zum größten Vergnügen der Zuschauer, unter denen auffallend viele junge Leute waren, denn eine Schulklasse des Johannes Althusius-Gymnasiums wollte sich im Unterricht mit Shakespeare auseinandersetzen und nahm den Abend als Entré ins Thema.

Da alle Akteure mit Headsets ausgestattet waren, bot die sprachliche Verständigung trotz des großzügigen Platzangebotes auch kein Problem. Regisseur und Schauspieler Tobias Maehler ging in seiner Inszenierung der Frage nach, wie auf der Bühne Realität geschaffen werden kann, und dies in einer nächtlichen Welt, in der – nach Shakespeare – allerhand krude Geister unterwegs sind, die vorwiegend ihren Trieben und Leidenschaften folgen. Die zentrale Aufgabe kommt dabei Puck zu, der als ein Wesen der Nacht doch berufen ist, beidem zu genügen – den Mitspielern auf der Bühne und damit dem Shakespear’schen Text, aber auch dem Publikum, mit dem das androgyne Wesen genauso spielt. Anja Neukamm verlieh dieser Gestalt eine wunderbare Leichtigkeit, aber auch Hemmungslosigkeit, List und Tücke, wendig wie ein Januskopf und dann wieder von einer geradezu kindlichen Zerstörungswut beseelt. Somit wird sie zum Fixpunkt, der das Geschehen spiegelt, kommentiert, aber auch weitertreibt.

Wie beim Shakespeare-Theater üblich, übernimmt jeder Spieler mehrere Rollen und muss sich entsprechend dem jeweiligen Charakter anpassen. Das geschah bei der Inszenierung aus München mit verblüffendem Effekt, so dass man erst einmal genau hinsehen musste, um zu erkennen, dass zum Beispiel Benedikt Schulz als Demetrius zugleich auch die Fee Motte darstellte und den Handwerker Flaut, der seinerseits wieder in der Rolle der Thisbe auftrat. Dieses ständige Verschränken und Verdrehen der Charaktere bot einen kuriosen Einblick in die Tätigkeit der professionellen Schauspieler, die im Handwerker-Theater Shakespeares Laienspieler mimen mussten, die Schauspieler sein wollen – und das mit Anspruch.

Gebrochen wurde der Text des 17. Jahrhunderts, der teilweise in Versen, teilweise in Dialogen, teilweise mit Zeitbezügen vorgetragen wurde, auch durch das Einfügen von Liebes-Schlagern aus den 60ern. Dazu zählten etwa „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“ von Connie Francis, das leitmotivisch immer wieder aufklang, oder „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher. Mit solchen Einwürfen wurde die theatrale Situation in den Bereich der Zeitlosigkeit geholt, denn es gab Verwandlungen und Dämonisierungen, aber auch Kostüme mit Petticoat, Songs der 60er und so mancherlei Details dazwischen und darüber hinaus, die eines ganz deutlich machten: egal wo, egal wann – das Allzumenschliche hat seine Unveränderlichkeiten.

Die Schauspieler – eine tolle Truppe, die ihre Rollen hinreißend ausfüllten. Es waren Chiara Penzel, Eva-Maria Piringer, David-Tobias Schneider, Benedikt Schulz, Acelya Sezer, Yannick Zürcher, Anja Neukamm und Tobias Maehler.

Ein letztes Wort zu Donald Manuel, der als Schlagzeuger und Percussionist einen Dauerplatz auf der Bühne hatte und in vielfacher Weise dazu beitrug, dass die Imagination des Bühnengeschehens perfektioniert wurde. Das war großartig und anregend.

Fazit: Dieses leidenschaftlich spielende Ensemble mit seiner ideenreiche Inszenierung möchte man gerne wiedersehen. Gerne auch mit Shakespeare.

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