Aufbruchstimmung gestalten

Emden. Emden habe schon seit langem in seinem Kopf herumgespukt, sagt Marc Waskowiak (Jahrgang 1976), seit fast zwei Jahren Kirchenmusiker der Martin-Luther-Gemeinde. Zuvor war Waskowiak noch auf Norderney tätig – und das sehr erfolgreich. Doch die Zeichen standen auf Veränderung. Also Emden.

Waskowiak hat Kirchenmusik in Detmold studiert, Kurse unter anderem bei Harald Vogel belegt. Vogel ist Organologe und Organist sowie Gründer der Norddeutschen Orgelakademie, die bis 2002 Organisten aus der ganzen Welt fortbildete. Ein bekannter Mann – nicht nur in Ostfriesland.

Waskowiak legte sein A-Examen ab, bildete sich fort – speziell im Bereich der Improvisation. 2004 erfolgte die künstlerische Reifeprüfung, danach ein Aufbaustudium im Orgelliteraturspiel. Zwischenzeitlich übernahm Marc Waskowiak immer wieder Stellen als Kirchenmusiker – in Oerlinghausen, 2001 in Bad Salzuflen, 2003 auf Norderney, 2019 schließlich in Emden.

Pläne hat Waskowiak, mittlerweile Vater von vier Mädchen, noch genug. So möchte er in den nächsten Jahren als Kirchenkreiskantor im größeren Umfeld arbeiten. „Es braucht mehr Bewegung, um Dinge wachsen zu lassen“, argumentiert er. Doch bis es soweit ist, hat er in Emden reichlich zu tun. Sein Konzept für einen Kinderchor zielt schon auf die Jüngsten ab drei Jahren ab. Die Zusammenarbeit mit der Musikschule sorgt in diesem Segment für eine stabile Abfolge. Um Kinder für die Orgel, dieses gleichsam königliche und befremdliche Instrument, zu interessieren, hat er gerade Orgel-Entdecker-Tage durchgeführt. Ein Bausatz für eine kleine, aber funktionstüchtige Orgel stellte selbst den erfahrenen Orgelvirtuosen vor einige praktische Probleme. Doch mit etwas Übung konnte Waskowiak die „Doe-Orgel“ schließlich zusammenbauen und anschließend mit Kindern diesen handwerklich nicht einfachen Akt durchführen.Und seine eigene Orgel in der Luther-Kirche, die Beckerath-Orgel? Wie verhält es sich damit? „Ich bin froh, dass ich sie habe“, meint Waskowiak. „Ein wirklich schönes Instrument. Mein Vorgänger Elmar Werner hat bei der Konzeption an alles gedacht.“ Das Instrument sei multifunktional einsetzbar – für die französische Romantik ebenso wie für Bach oder für den Bereich der Improvisation, für den Waskowiak brennt.

Sehr zufrieden mit „seiner“ Beckerath-Orgel: Kirchenmusiker Marc Waskowiak.

Seine Lieblingskomposition? Waskowiak muss nicht lange nachdenken. Dvoraks „Stabat Mater“. „Es ist jenes Stück, das mich motivierte, Kantor zu werden.“ Er hat es erstmals in einer gotischen Hallenkirche gehört. „Da ist etwas in mir aufgebrochen.“ Ansonsten ist der Musikgeschmack Phasen unterworfen. Wenn „endlos“ Zeit besteht, ist es Bruckner, bei Kummer Dvorak. Dann Tschaikowski – und natürlich Bach. Der steht auf dem Programm, wenn es gilt, Gedanken zu klären. „Bach ist die Basis. Man bekommt ihn nicht kaputt. Er ist mathematisch perfekt strukturiert.“

Als Waskowiak in Emden anfing, musste er in Windeseile den „Messias“ mit der Evangelischen Kantorei einstudieren, was mit Hilfe von erfahrenen Musikerkollegen gelang. „Das war wirklich ein schneller Einstieg – damals.“ Inzwischen hat er seine eigenen Programmvorstellungen entwickelt. Sie sind gekoppelt an eine Eigenkomposition. Die Corona-Zeit hat Waskowiak nämlich genutzt, um ein Passionsspiel zu komponieren, das ab dem nächsten Frühjahr mit Kantorei, Kinderchören und Kammerorchester einstudiert werden soll. „Das ist ein generationsübergreifendes Projekt“, schwärmt der Kantor. Es ist zugleich aber auch ein Projekt, das musikalische Schranken nicht zulässt. Filmmusik, Choräle, Tanzrhythmen, Jazz, Kanons – eine bunte Mischung soll sich entfalten. Dabei war die Arbeit gar nicht so einfach. Um ein bis zwei Minuten Musik zu komponieren, habe er oft fünf bis sechs Stunden gearbeitet. „Die Nummer ist völlig crazy“, amüsiert sich der Kantor und muss jetzt erst einmal zusehen, dass er seinen Sängern und Instrumentalisten das ungewöhnliche Werk pädagogisch schmackhaft macht. Bis 2022 soll das Stück stehen – um dann mit Vivaldis „Gloria“ kontrastiert zu werden. Für 2023 soll es Bach sein, der zweite Teil des „Weihnachtsoratoriums“.

Pläne genug! Dazu gehört auch ein Projekt, das sich zunächst einmal merkwürdig anhört. Es fehlen im Kammerorchester nämlich nicht nur ein Kontrabass, sondern auch ein Kontrabassist. Beides zu beschaffen, gestaltete sich als nahezu unlösbares Problem. Also sann Waskowiak auf Abhilfe. Und fand eine Lösung. Man kann nämlich ein Cello mit einigen technischen Tricks auf die entsprechend tiefere Stimmung umbauen. Das kostet Geld, das derzeit gesammelt wird, ist aber machbar. Und mit seiner Tochter Esther steht auch eine Spielerin zur Verfügung, die diese Transformation spielerisch umsetzen kann.

Problemlösungen ergeben sich bei Waskowiak vor allem nachts. Die Ruhe fördert den Gedankenfluss und wandelt ihn in kreatives Potential. Wie gesagt – Waskowiak hat noch viel vor. Als nächstes steht ein Konzert an, in dem er mit Pianistin und Organistin Brigitte Höhn ein Arrangement des Tschaikowski-Balletts „Der Nussknacker“ vierhändig auf der Beckerath-Orgel spielen wird.

Die Wunschliste von Marc Waskowiak für die Zukunft ist eindeutig: Mehr Menschen für die Musik zu begeistern. Mit seiner eigenen Passionsgeschichte sieht er dafür Möglichkeiten, eine Aufbruchstimmung zu gestalten.