Blühende Bäume und Bienenstöcke

Leer. Was sie als erstes getan hat, als sie das Amt der Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche übernommen hat? Susanne Bei der Wieden (54) muss lachen. Sie hatte noch in Frankfurt am Main, wo sie die Evangelisch-reformierte Gemeinde als Pastorin betreute und stellvertretende Präses der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau war, ein Gemälde in Auftrag gegeben. „Lätare abstrakt“ – aufblühende Bäume. Dieses Gemälde hat sie als erstes vor 100 Tagen an die Wand in ihrem Büro im Landeskirchenamt in Leer gehängt, sagt sie im Rahmen einer Zoom-Konferenz anlässlich des 100. Diensttages. Ein Symbol für einen neuen beruflichen Abschnitt?

Seit einhundert Tagen im Amt: Kirchenpräsidentin Susanne Bei der Wieden. Bild: Preuß

Das beruflich Neue indes hat einen privaten Hinkefuß. Familie Bei der Wieden wohnt immer noch in einer Ferienwohnung. Der Umbau des Leeraner Hauses stockt. Das indes hindert nicht, dass die Kirchenpräsidentin sich mit Überzeugung ins neue Amt gestürzt hat – immer geleitet von der festen Leitschnur, dass alle ihre Entscheidungen und Äußerungen – gleich ob politischer oder gesellschaftlicher Art – fundiert im Glauben gründen müssen. Und so argumentiert Susanne bei der Wieden auch bei ihren Stellungnahmen, die sie zum 100. Tag ihrer Dienstzeit abgibt, immer aus einer human-christlichen Einstellung heraus.

Für ihre Stellungnahme zum 100. Tag ihrer Amtsübernahme gibt es einen Kanon – vor allem zu Corona und zum Klimaschutz. Es sind die Themen der Zeit, die sie, versehen mit persönlichen Einschätzungen und dem Fußen auf ihrer christlichen Überzeugung, anspricht. Vieles davon hat sie bereits bei ihrer Vorstellung und im Vorfeld ihrer ersten Gesamtsynode gesagt.

Corona hat sie die letzten drei Monate beschäftigt, weil die Gemeinden gezwungen sind, sich den ständig wechselnden Gegebenheiten anzupassen. „Die Kirche ringt um die Form“, sagt Susanne Bei der Wieden und sorgt sich um die drohende „Spaltung der Gesellschaft“. Man müsse alles tun, „zur Versöhnung beizutragen“. Sich nicht impfen zu lassen, befinde sie als „verantwortungslos“. Dem gegenüber folgten die, die sich impfen ließen, einem Gebot der Nächstenliebe. Gleichwohl, der Gottesdienst müsse offen sein für alle: Geimpfte, nicht Geimpfte, auch Verschwörungstheoretiker. Kein Verständnis habe sie für Menschen, die auch eine Testung verweigerten. Das sei „das Ende der Verständigungsmöglichkeit“.

Für sie persönlich bedeuteten die Einschränkungen, dass sie ihre Antrittsbesuche bei vielen Synodalverbänden und Gemeinden nicht durchführen konnte. Es mache einen deutlichen Unterschied aus, Menschen leibhaftig zu begegnen, um sich kennenzulernen und dabei Atmosphärisches zu erspüren. Jetzt erfolge alles mit Verzögerung. Das gelte auch für das weitgehend entleerte Landeskirchenamt in Leer. „Ich sehe in ganz viele leere Flure.“

Klimaschutz war eines der Themen, die Susanne Bei der Wieden schon bei ihrem Vorstellungsreferat aufgegriffen hat. Als Kirche könne und dürfe man sich der Diskussion nicht entziehen, wiederholte sie, denn es handle sich um ein zutiefst theologisches Thema, nämlich um die Bewahrung der Schöpfung. Die reformierte Kirche erarbeite Richtlinien, doch das offensichtliche dringliche Problem werde entschieden angegangen – die Ertüchtigung kirchlicher Gebäude. Aber auch im Kleinen sei man mit Veränderungen beschäftigt. So wurden im Landeskirchenamt „direkt vor meinem Büro“ Bienenstöcke aufgestellt und Blühstreifen angelegt.

Gibt es auch Ausgleichstätigkeiten im Programm der Kirchenpräsidentin? Sie spielt Cello, liebt die Musik zwischen Barock und Romantik und gesellte sich so zum Collegium Musicum Leer, einem lokalen Streichorchester. Allerdings funktionierte das nur drei Mal. Dann hatte der Beruf wieder Vorrang vor dem Hobby. Dem Beruf gilt dann auch die letzte Frage der Pressekonferenz – und sie greift weit voraus in die Zukunft. Was müsste gelingen, um ihre Amtszeit als erfolgreich zu bezeichnen, will ein Kollege wissen. „Wenn es mir gelingt, die seelsorgerliche Versorgung der Gemeinden sicherzustellen. Dann war ich erfolgreich.“