Nichts als Bücher

5. Teil

Emden.
Das Buch hat heute immer noch einen hohen Stellenwert. Daher sind Empfehlungen für bestimmten Lesestoff eine Leidenschaft der Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“. Vorstandsmitglied Klaus Frerichs (JaLB) sammelt diese zumeist kurzen Empfehlungen und veröffentlicht sie in regelmäßigen Abständen – als Tipp von Mitgliedern für Mitglieder. Da diese Empfehlungen ein höchst spannender und unterhaltsamer Gang durch die Literatur- und Sachbuchszene sind, sollen sie nun in der Vorweihnachtszeit einem größeren Kreis zugängig gemacht werden. Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek (JaLB) schließen sich dem kleinen Projekt an.


Meike Hoogestraat (Emden) empfiehlt: Andrea Petkovic „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-05405-7, 272 Seiten, Hardcover, 20 Euro

Da tauchen sofort alle gängigen Klischees vor Augen auf: Eine bekannte Tennisspielerin schreibt mit 34 Jahren so etwas wie eine Biografie. Was ist daran interessant? Erst einmal handelt es sich nicht um eine Biografie im klassischen Sinn. Es sind Erzählungen aus ihrem vom Sport geprägten Leben, die nicht in zeitlicher Reihenfolge stehen. Man erhält einen Einblick in ein Sportlerleben, nicht nur Ruhm und Ehre, sondern ganz viel Nacht, also Rückschläge, Misserfolge, Verletzungen. Auch Menschen mit wenig Interesse am Sport werden von den Erzählungen sicher berührt. Sprachlich und stilistisch gesehen ist das Buch sehr lesenswert. Petkovic schreibt humorvoll, mit sehr viel Selbstironie. Die Autorin hat Erfahrung im Schreiben durch Kolumnen im SZ-Magazin und arbeitet als Moderatorin der ZDF-Sportreportage.









Harald Groenewold (Emden) empfiehlt: Benjamin Myers „Offene See“, DuMont Verlag Köln, ISBN 978-3-832-18119-2, 270 Seiten, gebunden, 20 Euro

Schon am Anfang wird deutlich, wie die Geschichte endet. Bleibt also die Frage: „Wie war der Weg?“ Die eigentliche Geschichte setzt ein mit dem Aufbruch des 16-jährigen Protagonisten, der die See sehen will, bevor er, wie in der Familie Tradition, Bergmann wird. Auf seiner Wanderung trifft er auf Menschen, die dann seinen Lebensweg entscheidend beeinflussen. Ganz wesentlich ist dabei, die Entdeckung der Literatur. Zum Inhalt will ich nicht mehr verraten. Sprachlich ist es ein sehr schönes Werk. Die Darstellung der Natur ist sehr poetisch und erinnert stark an die Romantik. Für mich war es ähnlich wie die Lektüre von „Aus dem Leben eines Taugenichts“, den ich zum ersten Mal vor ungefähr 60 Jahren gelesen habe. Man begibt sich mit der Hauptfigur auf eine Reise, die zu einer Neuorientierung führt, taucht ein in die Landschaft, in die Gedankenwelt der Personen, erlebt die Konflikte, die sie geprägt haben, die ihren Lebensweg bestimmt haben. In dem Roman geht es nicht darum, eine heile Welt darzustellen. Nachdem ich in letzter Zeit viele politische Romane gelesen habe, die mich z.T. ernüchtert zurückgelassen haben, war dieser Roman eine Insel, auf die ich mich gerne zurückgezogen habe.



Hans-Albin Jacob (Emden) empfiehlt: Jan Konst „Der Wintergarten – Eine deutsche Familie im langen 20. Jahrhundert“, übersetzt von Marlene Müller-Haas, Europa Verlag, ISBN 978-3-95890-258-9, Hardcover, 368 Seiten, 12 Euro

Jan Konst, niederländischer Literaturwissenschaftler, stößt im Keller seiner Schwiegermutter auf ein umfassendes Familienarchiv, das 1870 mit Emil G., dem Großvater der Schwiegermutter, einsetzt. Emils Tochter Hilde wird 1902 geboren, stirbt 2001. Hildes Leben wird über das ganze wechselvolle 20. Jahrhundert mit seinen weitreichenden Brüchen nachgezeichnet, parallel laufen drei weitere Familienstränge. Überwiegend lebt die Familie in Weimar. Das Buch fand ich sehr informativ, spannend und gut zu lesen.












Dr. Dagmar Bronner (Emden, JaLB) empfiehlt: Kazuo Ishiguro „Der begrabene Riese“, übersetzt von Barbara Schaden, Karl Blessing Verlag, ISBN 978-3-89667-700-6, 416 Seiten, 14 Euro

Der Klappentext suggeriert vollkommen irreführend, dass man es hier mit einem historischen Roman zu tun haben könnte. Von diesem Genre, zumindest nach herkömmlichem Verständnis, ist „Der begrabene Riese“ (im Original: „The Buried Giant“) jedoch weit entfernt, auch wenn die Handlung in Britannien verortet und in einer Zeit angesiedelt ist, die landläufig als „Dark Ages“ bezeichnet wird. Eine düster-vage Atmosphäre ist in der Tat bestimmend: Ein älteres Paar, Beatrice und Axl, begibt sich auf eine schwierige Wanderung durch ein von Nebel durchzogenes Land, um den gemeinsamen Sohn zu besuchen, und begegnet auf dem Weg anderen Reisenden, die ganz eigene Ziele verfolgen und mit Axls Vergangenheit verbunden sind. Es geht um Erinnerung und Vergessen, Vertrauen und Verrat, und um Liebe. Der Erzählstil und die Sprache sind durchaus gewöhnungsbedürftig, doch wenn man sich darauf einlässt, kann dieses Werk, das von Anleihen aus der mittelalterlichen Literatur geprägt ist (fantastische Elemente inklusive), faszinieren.