Ein mäandernder Strom

Leer. Clara Schumann nannte die frühen Werke des jungen Johannes Brahms  “diese merkwürdigen Kompositionen“. Zu diesen ungewöhnlichen Tonstücken gehörte auch die   Sonate fis-Moll, jenes Werk, das Matthias Kirschnereit im Rahmen seines Geburtstagskonzertes, das am Sonntag, dem 16. Januar, im Theater an der Blinke in Leer zur Aufführung kam, an die zweite Stelle gesetzt hatte.

Mal kraftvoll energiegeladen, mal zart und gefühlvoll: Matthias Kirschnereit am Steinway im Theater an der Blinke. Bilder: Karlheinz Krämer

Es ist ein Werk wie ein schartiges, zerklüftetes Gebirge, bei dem man sich wunderte, wie der Pianist diese ebenso kuriose wie schwere Komposition überhaupt ohne Noten zu spielen vermochte. Das Werk des gerade mal 20-jährigen Brahms gehörte zu den Stücken, die Schumann in einem wegweisenden Aufsatz über den jungen Hamburger unter dem Titel „Neue Bahnen“ subsumierte. Und neue Bahnen sind das, was Kirschnereit gerne angeht.

Daher stellte er ein ungewöhnliches Programm zusammen, in dem die sehr ausdrucksstarken, individuellen „16 Walzer“ von Brahms nur den Anfang eines Konzertes bildeten, in dem auf sehr hohem Niveau bezeichnende Stücke seiner Karriere ihren Widerhall fanden. Sie vereinigten sich mit vier „Prélude“ von Sergej Rachmaninow mit drei  “Images“ von Claude Debussy und zwei spektakulären Werken von Frédéric Chopin, einem „Nocturne“ und einem „Scherzo“. Insgesamt war es ein anspruchsvolles Programm voller schöner musikalischer Überraschungen und Anregungen. Dabei baute Kirschnereit Kompositionen ein, die zu seinem Stamm-Repertoire gehören und die das Publikum liebt. Dazu gehört das prägnante Prélude g-Moll „Alla marcia“ von Rachmaninov oder die zauberhafte Studie „Mouvement“ von Debussy oder auch der Walzer Nr.15 in As-Dur von Brahms.

Auch das ist Matthias Kirschnereit – hier von Karlheinz Krämer von der Seitenbühne aus fotografiert.

Kennzeichnend dabei war, dass das Programm keine Schwächen aufwies. Alles war wie aus einem Guss, floss in einem mäandernden Strom des Wohlklangs dahin und mündete in einer reizenden Zugabe, „Von fremden Menschen und Ländern“ von Robert Schumann. Ein hochdramatischer Beginn, ein stilistischer Wandel ins Klangvolle, ein impressionistisches Zwischenspiel, ein grandioser Höhepunkt im Chopin-Scherzo, ein völkerverbindender Ausklang – wunderbar!