Die Ruhe weg!

Eine beliebte Mitarbeiterin der Ostfriesischen Landschaft hat sich aus der Institution verabschiedet.

Aurich. Sie verfügt über 21 Jahre Festivalerfahrung, hat sich dann aber doch entschlossen, ein Studium aufzunehmen und sich von einer sehr geschätzten Arbeit zu trennen. Wibke Heß (44) gehört seit 2000 zur Ostfriesischen Landschaft und arbeitete dort im Kulturbereich. Wie von selbst rutschte sie in die Organisation der dort veranstalteten Musikfestivals hinein – was ihr außerordentlich zusagte. Die Vielfalt der Aufgaben, der Kontakt zu den Künstlern, die Organisation der Veranstaltungen, die Betreuung der Gäste. Das alles ist ihr Ding – gewesen! Denn seit ihrem Abschied von der „Landschaft“ widmet sich Wibke Heß ausschließlich ihrem Masterstudium im Bereich der Erziehungs- und Bildungswissenschaften, nachdem sie seit 2018 in Oldenburg ein Pädagogik-Studium absolviert hatte – nebenberuflich.

Freundschaftliches Miteinander: Wibke Heß und der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte, Pianist Matthias Kirschnereit im Jahr 2019. Bilder: privat

Als sie bei der Ostfriesischen Landschaft begann, war Wibke Heß alleinerziehende Mutter eines Sohnes. Die perfekte Organisation des Alltags erwies sich da als Gebot der Stunde. Es gab Hilfe aus der Familie, aber die Verantwortung lag bei ihr. Trotz aller Schwierigkeiten – es gelang, und Wibke Heß konnte beruhigt ihrer Leidenschaft nachgehen und arbeiten.Das Festivalleben mit seinen vielfältigen Betätigungsfeldern bot ihr reizvolle Einblicke in Neues. So wurde sie unter anderem eingebunden in die Vorbereitungen der Festivalplanung – gemeinsam mit dem damaligen Organisationsleiter Dirk Lübben und dem künstlerischen Leiter Matthias Kirschnerei. Wibke Heß war auch immer beteiligt an Verhandlungen mit den Künstler-Agenturen. Denn die sind eine entscheidende Schwelle, um zu den Künstlern zu gelangen. „Dafür muss man sich aber Zeit nehmen. Zwischen Tür und Angel läuft gar nichts.“ Der richtige Moment sei ein wichtiger Schlüssel zum Engagement bestimmter Musiker gewesen.

Ein schöner Nebeneffekt der Festivals war es, dass Wibke Heß viele Künstler aus der Nähe kennenlernte – den berühmten Pianisten Grigori Sokolow, den Geiger Daniel Hope, die Klarinettistin Sharon Kam, den Blockflötisten Maurice Steger, den sie einmal vor der Peinlichkeit bewahrte, mit geplatzter Hosennaht auf der Bühne erscheinen zu müssen. Weil keine Zeit zum Nähen des Malheurs war, klebte sie ihm kurzerhand schwarzes Tape-Band auf das betreffende Körperteil.

Gruppenbild mit dem Team von 2013: Dirk Lübben, Uwe Pape, Wibke Heß, Simon Hopf, Wiebke Schoon, Gert Ufkes, Berit Sohn und Hermann Rübel.

Besonders schön aber empfand sie es, eine Vielzahl junger Talente bei ihrem Karriere-Aufstieg zu beobachten. „Diese Menschen sind mir richtig ans Herz gewachsen“, sagt sie in der Rückschau. Und für das Festival-Geschäft selbst habe sie immer „gebrannt“. Wobei ihr besonders das Format der „Langen Nächte“ bei den Gezeitenkonzerten ein Anliegen war, ein Programm, das aus ihrer Sicht nur „an Ort und Stelle funktioniert“ – nämlich am Georgswall in Aurich zwischen Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft, dem Landschaftsforum und dem dazwischenliegenden Garten mit seinen Upstalsboom-Eichen.

In der praktischen Festivalarbeit bürgerten sich schnell besondere Eigenarten ein. So kam es immer wieder vor, dass Konzertbesucher ihren Platz nicht fanden. Da machte sich Wibke Heß zu deren Sachwalter und lotste fortan bei jeder Veranstaltung suchende Gäste zielgenau zu ihren Plätzen. In allen Konzertsälen war sie der ruhende Pol mitten im lebhaften Geschehen – selbstbewusst, kompetent, auskunftsfreudig, freundlich und nervenstark. Sie beruhigte hektische Besucher, schichtete Platzstreitigkeiten, und sorgte dafür, dass vor den Podien alles pünktlich auf den Plätzen saß, wenn das Programm begann. Heute ist es sogar üblich, dass jeder Besucher seinen Namenszettel auf der Bestuhlung vorfindet – ein Service, den der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte, Matthias Kirschnereit, stets begeistert als „einmalig in der Festival-Landschaft“ bezeichnet.

Auch das gehörte zum Job: Klavierspielen für die Tonprobe. Das Bild entstand 2015 in Remels.

Viel Arbeit war das immer, und in der Festivalzeit richteten alle Mitarbeiter hinter den Kulissen „ihr Leben komplett nach dem Rhythmus der Konzerte aus“, auch wenn das bedeutete, dass man morgens um 9 Uhr anfing und nachts um 2 Uhr immer noch nicht fertig war. „Wichtig dabei war es, den Spannungsbogen zu halten“, hat Wibke Heß gelernt. Ein eingeschworenes Team, in dem alle „mitzogen“, spannende Künstler, eine engagierte künstlerische Leitung seien stets die Garanten für ein erfolgreiches Festival gewesen.

Ihr Weggang aus dem Festivalgeschäft verlief wegen der Pandemie ohne großes Aufsehen. Sie wurde im Rahmen eines der kleinen Konzerte, die das Festival ausklingen lassen, verabschiedet. Doch das fand Wibke Heß nicht schlimm – arbeitet sie doch schon wieder intensiv an neuen Aufgaben. Da hat die gebürtige Norderin immer noch die Ruhe weg!