Ein Emder Jubiläum mit Perspektive

Emden. Nein, er hatte kein Präsent dabei. Der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst, Björn Thümler, kam zur Jubiläumsfeier der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer in der Neuen Kirche ohne alles – und Oberbürgermeister Tim Kruithoff machte einen Scherz daraus. Der Minister sei sicher froh darüber, dass dieses Mal in Emden kein pekuniären Mitbringsel von ihm erwartet werde. Das Plenum, rund 180 zumeist geladene Gäste, amüsierte sich.

Das TAG Theater führte das Publikum in der Neuen Kirche zurück in die Gründungsjahre von 1820dieKUNST.

Doch so ganz scherzhaft war die Veranstaltung zum 200. Geburtstag von 1820dieKUNST, so der aktualisierte Name der Gesellschaft, an ihrem 202. Jahrestag dann doch nicht. Denn die Lage ist in den letzten 24 Monaten nicht harmloser geworden. Corona grassiert schlimmer denn je, und der Krieg in der Ukraine war in der Ministerrede durchaus ein Thema. Dazu passte die getragene Stimmung, die die Besucher schon bei der Ankunft in der Neuen Kirche empfing – durch die Musikbeiträge von Agata Sanocka-Morys (Violine) und Judith Gebauer (Violoncello). Von Jubelstimmung keine Spur, dafür getragene künstlerische Eleganz von einem Duo, das ganz ausgezeichnet aufeinander eingestimmt war.

Gleichwohl zeichneten sich in den Reden dieses Morgens zarte Hoffnungsstreifen ab – etwa als Björn Thümler auf die große Bedeutung des kulturellen Dreigestirns von Ostfriesischem Landesmuseum, Kunsthalle und Johannes a Lasco Bibliothek für Emden verwies. Zudem forderte er dazu auf, das Vermächtnis des kulturinteressierten Bürgertums des 19. Jahrhunderts, wie es sich in der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer dokumentierte, weiter voranzutreiben.

Im Zeichen der Begriffe Zukunft und Veränderung stand das Co-Grußwort von Kruithoff und Museumsdirektorin Jasmin Alley. Landesmuseum und Stadtarchiv bildeten das „Gedächtnis der Stadt“, betonte der OB. Umso mehr müsse man das Landesmuseum künftig nach außen öffnen und stärker vernetzen – innerhalb Ostfrieslands, aber auch ins niederländische Westfriesland hinein. Jasmin Alley verwies mit Blick auf den gerade wieder aufgefundenen Zettelkasten der KUNST (dazu KiE-Bericht vom 19. März) auf die Bedeutung und das Umfeld der Sammeltätigkeit, die heute so bedeutsam wie je sei.

In seiner Begrüßungsrede verwies KUNST-Vorsitzender Gregor Strelow darauf, dass er die Gesellschaft nach wie vor in der Funktion einer Impulsgeberin sehe. Diesbezüglich regte er die Wiederaufnahme ostfrieslandweiter Gemeinschaftsaktionen in Bezug auf kulturelle und touristische Projekte an. Damit erinnerte Strelow an 2007, als das höchst erfolgreiche und nachhaltig wirksame Netzwerk-Projekt „Garten Eden“ für Furore sorgte.

Eine Kurzfassung ihrer szenischen Inszenierung zur Gründung der Gesellschaft steuerte das TAG Theater Sakowski & Knitsch bei. Dabei betonten die beiden Spieler in ihrem Text insbesondere die Ehre, die Bürger damals offenbar empfanden, wenn sie für wert erachtet wurden, in den Kreis der Mitglieder aufgenommen zu werden.

► 1820DieKUNST wurde von sechs Emder Bürgern gegründet, gab ab 1872 das Periodikum „Emder Jahrbuch“ heraus, richtete ein eigenes Museum – zunächst in der Kirchstraße, dann in der Großen Straße – ein und zeigt seit 1962 seine Sammlungen in gemeinsamer Trägerschaft mit der Stadt Emden im wiederaufgebauten Rathaus am Delft. Die Gesellschaft zählt heute rund 640 Mitglieder, von denen 50 ehrenamtlich in die Arbeit im Museum und im Kunstladen einbezogen sind.