Faszinierende und mitreißende Show

Leer. Perkussion. Dazu braucht es weit mehr als Pauke, Trommel oder Becken. Es geht auch nicht immer nur um das Anschlagen von Instrumenten. Da ist viel mehr machbar. Die ganze Breite des Möglichen zeigten sechs Studenten der Musikhochschule Rostock als „Percussion Community Rostock“ beim Gipfelstürmer-Konzert im Zollhaus Leer, das erstmals von den „Gezeiten“ als Veranstaltungsort genutzt wurde.

Höhepunkt mit Keiko Abes „The Wave“, gespielt von der Percussion Community Rostock. Bilder Karlheinz Krämer

Auf der mit den unterschiedlichsten Perkussionsinstrumenten und Marimbaphonen vollgestellten Bühne demonstrierten die jungen Leute nicht nur rhythmisches Können, sondern auch erstaunlich reiche klangliche Dimensionen – bis hin zu Ausflügen ins Experimentelle. Aber auch die Herkunft der Perkussion aus der Nutzung von Stimme und Händen wurde gewürdigt, denn das, so sagte Ensemble-Leiter Jan-Frederick Behrend, seien ja nun einmal die ältesten Ausdrucksmittel der Menschheit.

Behrend übernahm bei diesem Konzert die Moderation und stellte dem Abend einen denkwürdigen Vergleich voran. Mit Blick auf die vielfältigen Herkunftsländer der Studenten versicherte er: „Wenn die Welt so funktionieren würde wie eine Musikhochschule, dann gäbe es keine Kriege mehr.“ Das gezielte Miteinander und die Freude am Zusammenspiel, das die Studenten hier zeigten, gaben ihm Recht.

Marta Palmas spielt auf der Marimba „Prelude No. 1“ von Ney Rosauro

Die Kompositionen, die auf dem Programm standen, stammten zu einem großen Teil von Musikern selber, erläuterte Behrend. Doch das, was da komponiert wurde, konnte sich wirklich hören und auch sehen lassen. Denn es gab zwei Momente, die völlig aus dem Rahmen des Erwartbaren fielen. Da war zum eine Improvisation zu einer elektroakustischen Musik von Javier Alvarez mit dem Titel „Temazcal“, was soviel wie „Wasser, das brennt“ heißen soll. Maximilian Schwarz zeigte hier nicht nur, wie man das mit Maracas, das sind Gefäßrasseln, realisiert, sondern auch wie man dabei als Interpret Bühnenpräsenz beweist.

Ebenso eindrucksvoll erwies sich „Bad Touch“ von Casey Cangelosi, bei dem der Spieler keine instrumentalen, sondern vielmehr pantomimische Aufgaben hat. Finn Hennes nutzte einen Leuchtstab, um die rhythmischen Aspekte des Playbacks sichtbar zu machen. Und die verlangten nach Konzentration und rascher Reaktion.

„Arena“ von Tobias Broström interpretiert hier Finn Hennes

Nach und nach wurde in unterschiedlicher personeller Besetzung gespielt, wobei jeweils besondere Aspekte der Perkussion deutlich wurden. Chun-An Chuang und Tigran Mirzoian führten mit „Departures“ von Emmanuel Séjourné einen zarten, wehmütigen Duett-Gesang zweier Marimbaphone vor, der lyrisch blieb, auch als sich die Komposition in abstraktere Bereiche erweiterte.

Moderator des Abends: Ensembleleiter Jan-Frederick Behrend

Welche spielerischen Möglichkeiten bietet eine Marimba sonst noch? Maximilian Schwarz stellte dazu eine abwechslungsreiche Eigenkomposition vor, in der die Klangstäbe des Instruments zum Schluss nicht mit Klöppeln, sondern mit der Hand angeschlagen wurde.

Besonders eindrucksvoll waren jene Stücke, an denen fünf oder sechs Spieler beteiligt waren. Dazu zählte etwa das Eröffnungsstück „Li“ von Stephan Krause. Hier kamen japanische Taiko-Trommeln ins Spiel. Und natürlich zählte das großartige Werk „The Wave“ der bekannten Perkussionistin Keiko Abe dazu. In dieser Komposition, die eine geradezu aggressive Dynamik vermittelt, treibt das stimmliche Element in Form auffordernder Rufe die starke Bewegung immer auf Neue an. Das Marimbaphon agiert frei, wobei die unterschiedlichen Perkussionsinstrumenten das Ganze flankieren. Da fragt man sich schon, wie die Musiker eine solches Werk einstudieren und wie viel Aufwand dabei betrieben werden muss, bis eine derart faszinierende, mitreißende Show daraus wird.

„Bad Touch“ ist eine Komposition von Casey Cangelosi, die Finn Hennes mit dem Leuchtstab performed

Die Präsentation von „The Wave“ darf ohne Weiteres als Höhepunkt des Abends gewertet werden, und es wurde von der Percussion Community Rostock prächtig in Szene gesetzt. Der Applaus der rund 210 Besucher erforderte eine Zugabe, die eindrucksvoll an die Ursprünge der Perkussion erinnerte – allerdings mit viel Raffinement. Vier Mitglieder des Ensembles zeigten, was die Hände als Rhythmus-Instrument hergeben – und das war eine ganze Menge.

Auf der Bühne standen: Chun-An Chuang, Finn Hennes, Tigran Mirzoian, Marta Palmas, Anton Thelemann und Maximilian Schwarz.