Die „Tragfähigkeit“ des Kaiser-Bildnisses
Kommentar zur Amtsketten-Diskussion von Ina Wagner
Emden. Als die Amtskette 2002 in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt wurde, geschah dies, weil sich der Kaiserbesuch zum 100. Mal jährte, der mit der Neustrukturierung und dem Ausbau des Emder Hafens verknüpft war. Außerdem bedeutete dieser Besuch in einer kleinen Stadt ganz am Rande des Reiches eine enorme Ehre, die der Kaiser mit der Genehmigung, eine goldene Amtskette anfertigen zu dürfen, geradezu krönte. – Das war die Sicht des sehr frühen 20. Jahrhunderts.
Dieses Jubiläum war also der Beweggrund, die Kette wieder mit dem Kaiserbild zu versehen und die von den Nazis abgebrochene Krone zu ergänzen. Dass das im übrigen ein äußerst aufwändiger Prozess war, sei hier nur angedeutet.
Wenn der jetzige Amtsinhaber befindet, er möchte die Kette – des Kaiser-Bildes wegen – nicht anlegen, dann ist das zunächst einmal ein Politikum. Denn die Kette – übrigens die schönste dieser Art weit und breit – ist ja kein persönliches Ehrenzeichen, sondern ein Symbol, das den Oberbürgermeister als den ersten Repräsentanten aller Bürger kennzeichnet. In so weit kann es auch keine persönliche Entscheidung sein, die Kette nicht zu tragen, sondern es stellt grundsätzlich eine Pflicht gegenüber den Bürgern dar, sie anzulegen.
Wenn ein Amtsinhaber nun aber ein Problem mit dem Kaiser-Bildnis hat, dann sollte man prüfen lassen, ob sich das Emaille-Bild mit wenig Aufwand austauschen und dafür ein zeitgemäßes Symbol einsetzen lässt. Die Bedenken des OB würden damit ernst genommen. Das Kaiser-Bildnis bliebe im Museum erhalten, die Würde der Kette unangetastet. Und die Überlegungen, welches andere Emblem zeitgemäßer wäre, könnten beginnen.
Unberührt davon ist allerdings die Frage, warum eine museale Ausstellung der Amtskette sich allein auf einen einzigen Punkt beschränkt und die reiche Geschichte dieser Kette, die ja überhaupt nur aufgrund eines unglaublichen Zufalls erhalten blieb, davon ausgenommen ist? Wenn man schon ein historisch verankertes Objekt thematisiert, dann sollten doch alle Aspekte ausgeleuchtet werden, um erst dann die letzte Fragestellung – die nach der „Tragfähigkeit“ einer Amtskette mit Kaiserbildnis – in den Fokus zu nehmen.
Die jetzige Darstellung – und es ist schade, das sagen zu müssen – macht nicht den Eindruck ausgewogener Souveränität im Umgang mit dem Thema, sondern vielmehr von populärem Modernismus um jeden Preis. Und dafür ist die Amtskette nicht das geeignete Objekt.