Ein Sprachatlas für das Niederdeutsche

Aurich. Die Ostfriesische Landschaft und die Universität Oldenburg verfolgen derzeit ein Projekt, das von einem französischen Sprachwissenschaftler angestoßen wurde. Ziel ist es, Minderheitensprachen, Dialekte und ihre jeweiligen Varianten, aber auch ihre Schreibweisen in einem Sprachatlas zusammenzuführen und so dauerhaft zu bewahren, um dieses Wissen nach und nach für Forschungsprojekte nutzbar zu machen. Am Montag (19. September) wurde ein Zwischenstand der bisherigen Bemühungen im Forum der Ostfriesischen Landschaft vorgestellt.

Im Hintergrund ist die Karte zu sehen, die belegt, dass der Nordwesten schon fleißig für den Sprachatlas gearbeitet hat. Professor Dr. Jörg Peters, Heike Schoormann, Grietje Kammler und Dr. Matthias Stenger stellten das Projekt vor. Bild: Sebastian Schatz

Um vergleichbare Befunde zu erhalten, wird eine Fabel des griechischen Dichters Äsop als verbindliches Textmaterial verwendet. Dieses Stück soll zunächst von den Teilnehmern des Projektes in das jeweilige Niederdeutsch übertragen und dann vorgelesen werden. Im Internet wurde inzwischen eine Plattform angelegt, die diese beiden Elemente mit dem jeweiligen Ort verknüpft, so dass sich jeder Interessierte die bisher eingegangenen Beiträge anhören kann. Da in die Studie nicht nur Ostfriesland, sondern der gesamte niedersächsische Raum einbezogen ist, bietet sich schon jetzt ein buntes sprachliches Feld. Allerdings ist lediglich der Nordwesten dicht gefüllt, in Niedersachsen klaffen noch dicke „Sprach-Löcher“. Vorbild ist Schleswig Holstein, das schon länger an dem Projekt teilnimmt und entsprechend mehr niederdeutsche Varianten zu bieten hat.

In Ostfriesland haben sich bisher rund 55 Probanden an dem Sprachversuch beteiligt. Die versammelten Daten werden in Paris eingepflegt in einen Sprachatlas, den Professor Philippe Boula de Mareüil (Universität Paris-Saclay und Centre national de la recherche Scientifique) entwickelt und mit den Regionalsprachen Frankreichs bestückt hat. Nun sollen weitere europäische Regionen folgen.

Für Landschaftspräsident Rico Mecklenburg ist der Sprachatlas eine Fortsetzung der eigenen plattdeutschen Projekte, unter anderem der Sprachlern-App PlatinO. Die Leiterin des Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft, Grietje Kammler, sucht nach weiteren Möglichkeiten, die Zahl der Teilnehmer zu erhöhen, denn man wünsche sich natürlich, dem Sprachatlas-Projekt möglichst viele Varianten des Plattdeutschen, aber auch des Saterfriesischen zur Verfügung stellen zu können. Heike Schoormann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Niederdeutsch an der Uni Oldenburg, hat die technische Umsetzung und die für den Atlas nötigen Vereinheitlichungen der Beiträge, die von unterschiedlicher Audio-Qualität waren, realisiert.

Professor Dr. Jörg Peters, Inhaber des Lehrstuhls der Abteilung Niederdeutsch an der Oldenburger Universität, sieht in dem Sprachatlas einen dreifachen Wert: als Dokumentation des kulturellen Erbes – ein wichtiger Punkt, wie Peters sagt, weil er auf Dauer einen Rückgang der Sprachfähigkeit im Niederdeutschen sieht; als Material zur Planung wissenschaftlichen Arbeitens im Bereich der Sprachforschung; und drittens als Material für die Schulen. Gerade die Schulen spielten, so Peters, eine wichtige Rolle, weil sich die Schüler – etwa im Gespräch mit plattdeutsch sprechenden Großeltern – als „Sprachsammler“ betätigen könnten. Denn man könne gar nicht genug Beispiele bekommen, um Sprache zu dokumentieren.

Ein Projekt läuft bereits seit 2019 in der Krummhörn, wo inzwischen Sprachbeispiele von 95 Bewohnern jeden Alters und Geschlechts gesammelt wurden. Ähnliches wünsche man sich auch aus dem Brokmerland, um Prognosen für die Entwicklung des Plattdeutschen aufstellen zu können.

► Die Seite „Äsop op Platt un Seeltersk“ ist erreichbar unter: https://atlas.limsi.fr/?tab=ns