„Nichts ist so kostbar wie das Original“
Emden. Eine Handwerkskunst so spannend zu präsentieren, dass die Zeit für die Zuhörer wie im Fluge vergeht – das muss man erst einmal hinbekommen. Möbelrestaurator Reiner Peppelenbosch, der in Remels die Werkstatt seines Onkels Horst Arians übernommen hat, gestaltete auf Einladung der Neuen Dienstagsrunde von 1820dieKUNST einen Vortrag, der mit Vorher-Nachher-Momenten arbeitete und sich auf Schränke, Kommoden, Anrichten, Stühle, Seemannskisten, Uhren und weitere kleinere Objekte bezog. Dabei erfuhr man, „dass nichts so kostbar ist wie das Original“, dass in den 70er Jahren die Oberflächen stark glänzen mussten, dass heute Oberflächen schonender behandelt werden, weil sie die Geschichte des Gegenstandes vermitteln.
Dass sich hinter vielen Möbeln höchst interessante Geschichten verbergen, macht Peppelenbosch, der gelernter Tischler und studierter Möbelrestaurator ist, anhand eines kleinen Schränkchen deutlich, das grün angestrichen und mit Blumengirlanden verziert war. Als er die Farbe – wo möglich – abnahm, entpuppte sich das hässliche Entlein als ganz seltenes Möbelstück, dessen Provenienz sich zudem noch komplett nachverfolgen ließ. Peppelenbosch entfernte Farbe und Blumen, ergänze fehlendes Furnier, reparierte Kleinigkeiten und gab dem Schränkchen abschließend einen Außenanstrich mit Schellack – und schon verwandelte sich das zuvor unansehnliche, unscheinbare Stück in einen stolzen Schwan.
Sogenannte Kissenschränke werden dem Restaurator häufig zur Überarbeitung oder auch zum Rückbau gebracht. Die meisten sind trotz ihres Alters aus dem 17. oder 18. Jahrhundert in gutem Zustand, weil sie höchst solide gebaut wurden. Einen Renaissance-Schrank habe er auch im Regen stehend aus der Straße entdeckt. Doch das habe dem exquisiten Möbel nichts ausgemacht, denn die Grundsubstanz sei „sensationell in Ordnung gewesen“.
Dennoch muss Peppelenbosch im Detail manch alte Technik nachahmen – da gebe es, so berichtete er, Schlüssellochumrahmungen aus Horn oder Perlmutt oder es fehlen Drechsel- oder Schnitzarbeiten. Einem Schaukelpferd fehlte die Mähne aus Roßhaar, die sich der Restaurator aus einer Auricher Bürstenfabrik beschaffte. Es gelte manchmal, Schrankfüße zu erneueren oder zu ergänzen. Stücke des Furniers seien oft herausgebrochen. Peppelenbosch verwendet zur Ergänzung ausschließlich historisches Holz der jeweiligen Zeit. Woher er das Material bekommt? Manchmal ist ein Möbel wirklich nicht mehr zu retten, dann werden die Hölzer, Furniere, Scharniere und Kleinteile sorgsam aufbewahrt, um andere Möbel damit zu retten.
Zwei historische Stühle kaufte Peppelenbosch einmal von deren Besitzer, weil er entdeckt hatte, dass sie nicht nur über die originale Polsterung sondern auch noch die ursprünglichen Stoffbezüge aufwiesen. „Das kommt ganz selten vor und in dieser unberührten Form sind es dann museale Dokumente.“
Manchmal aber kann auch Peppelenbosch nicht helfen. Da wurde ihm ein wunderhübsches Damen-Schminktischchen gebracht. Die Besitzer hatten im Antiquitätenhandel 25 000 Euro dafür bezahlt, denn es sollte historisch und selten sein. Doch bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass es sich um eine Fälschung handelte.
Der Restaurator verwendet bei seiner Arbeit ausschließlich natürliche Stoffe – Schellack aus Schildläusen, der in Alkohol gelöst wird, sich aber mittels Alkohol auch wieder vom Holz entfernen lässt, dazu Knochenleim. Manche Seltenheit – wie Nägel von Soldatenschuhen, die er für die Restaurierung eines Nagelkreuzes benötigte -, beschafft er sich über das Internet. Manchmal muss er aber auch Aufträge an andere Handwerker vergeben, etwa, wenn Drechselarbeiten sich zu aufwändig gestalten.
Ein wirkliches Ereignis sei für ihn ein Auftrag der Ostfriesischen Landschaft gewesen, berichtet Peppelenbosch. Es ging dabei um einen Schrank des 18. Jahrhunderts – womöglich aus dem Haushalt der Cirksena – dessen Front ganz mit Schildpatt in knalligem Rot belegt war. Solch eine Kostbarkeit restaurieren zu dürfen, sei ein Höhepunkt in seiner bisherigen Laufbahn gewesen.