Riesenandrang bei „Melanie Schulte“
Emden. Der Run auf die aktuelle Ausstellung im Ostfriesischen Landesmuseum „Melanie Schulte – Schiff, Unglück, Mythos“ hat dazu geführt, dass die im Rummel geplante Eröffnungsveranstaltung wegen Überfüllung geteilt werden musste. Während Museumsleiterin Jasmin Alley und Oberbürgermeister Tim Kruithoff im Rummel sprachen, improvisierten der Kultur- und Medienschaffende Edzard Wagenaar und der wissenschaftliche Mitarbeiter im Landesmuseum, Aiko Schmidt, die Einführung ins Thema im Foyer des Landesmuseums. Da aber beide an der inhaltlichen Gestaltung der Ausstellung beteiligt waren, hatten sie in ihrem Co-Referat kein Problem damit, die Anwesenden nicht nur mit den Fakten, sondern auch mit den Details des Untergangs der „Melanie Schulte“ bekannt zu machen.
Als dann die Eröffnung im Rummel vorbei war, wurde es so richtig voll im Sonderausstellungsraum. Zwischen 250 und 300 Besucher drängten über die Treppen in den dritten Stock und füllten den Raum derart, dass es kaum ein Durchkommen gab. Überall standen Grüppchen, die die ausgestellten Objekte betrachteten, bewerteten, die diskutierten. Das Stimmengewirr war derart, dass viele Besucher sich zunächst erst einmal wieder verabschiedeten, um über die Feiertage wiederzukommen. Denn das Museum ist bis weitgehend geöffnet, wie Aiko Schmidt sagte, und Edzard Wagenaar empfahl, als Weihnachtsgeschenk auf letzter Minute doch Eintrittskarten zu kaufen.
Man sei in der Vorbereitung des Ausstellung immer tiefer in die Materie eingetaucht und habe immer mehr „Baustellen“ aufgetan, sagte Aiko Schmidt, der berichtete, er habe sich unter anderem gemeinsam mit Museumsdirektorin Jasmin Alley durch eine rund 1000-seitige Akte mit Briefen, Dokumenten und Gutachten im Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg gelesen. Nach dem Tod des Reeders Hans Heinrich Schulte 2015 sei bei der Wohnungsauflösung ein Album gefunden worden, das den Bau des Schiffes, seine – für die 50er Jahre – luxuriöse Innenausstattung, den Stapellauf und die Indienststellung fotographisch dokumentiert. Dieses Album wurde an dem Tag überreicht, als das Schiff unterging, am 22. Dezember 1952.
Die unkonventionelle Beladung der „Melanie“ – die erste von fünf Luken blieb leer – soll mit einem Computerprogramm nachgestellt werden, um Aufschlüsse zu bekommen, ob das Schiff womöglich wirklich auseinandergebrochen sei, sagte Schmidt. „Wir haben die Baupläne jetzt bekommen und werden die Simulation in Auftrag geben“, kündigte er an.
Auch ein Gerücht, das damals die Runde machte, ließ Schmidt in seiner Rede nicht aus: demnach soll das Schiff von den Russen gekapert und entführt worden sein. Immerhin habe man sich damals im Kalten Krieg befunden, jenem Ost-West-Konflikt, der bis 1989 die politische Lage bestimmte.
Edzard Wagenaar betonte, dass das Geschehen um die Melanie Schulte, ihr neunstündiges Hängenbleiben beim Stapellauf, der dadurch entstandene schlechte Leumund und ihr mysteriöser Untergang in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember zu „einem Stück Emder DNA“ geworden sei. Aufgrund des einziges Reliktes, das von dem Schiff geblieben sei – der Rettungsring – sei die Zahl der Exponate in der Ausstellung „extrem reduziert“. Auch bei den schriftlichen Unterlagen wurde stark ausgewählt. Dafür gebe es aber die Video-Dokumentation der Gespräche mit Zeitzeugen und Angehörigen, die die emotionale Situation des Verschwindens der „Melanie Schulte“ erlebbar machten.
Zudem werde ab Februar die Matinée-Reihe „Edzard Wagenaar im Gespräch“ initiiert. Diese beinhaltet Gespräche mit Fachleuten zu einzelnen Fragen, die sich im Verlauf der Recherchen für die Ausstellung als noch nicht gelöst erwiesen haben. Dazu gehört etwa die Frage der „Monsterwellen“. Am 13. April ist zudem die Premiere für das Theaterstück „Melanie Schulte“, das sich mit der Seeamtsverhandlung nach dem Untergang beschäftigt.
► Öffnungszeiten des Landesmuseums: Di bis So 10 bis 17 Uhr, geschlossen: 24., 25., 31. Dezember sowie am 1. Januar 2023