Sieben Löwenköpfe vom Enno-Grab sind zurück
Emden. Die Johannes a Lasco Bibliothek hat in diesem Jahr einige besondere Geschenke bekommen. Sie betreffen das Grabmal Ennos II. (1505 bis 1540), die Grablege der Familie Cirksena im südlichen Seitenschiff des Chores der einstigen Großen Kirche. Das Monument hat einen kräftigen Unterbau, der mit Löwenkopf-Reliefs geschmückt war. Nach dem Krieg fanden sich 13 der ursprünglich 20 Sandsteine im Format 35 mal 30 Zentimeter wieder ein. Aber sieben Steine blieben verschwunden. Wo sollte man sie suchen? Das Rätsel löste sich in diesem Jahr. Alle sieben Löwenköpfe tauchten wieder auf.
Die Geschichte der Rückgabe begann zu Jahresbeginn mit einem Privatmann, der sich an den Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek, Harald Groenewold, wandte und ihn beschied: „Ich glaube, ich habe da etwas, das wohl in die Bibliothek gehört.“ Der Mann, der anonym bleiben möchte, hatte einen Gemüsekarton der 50er Jahre aus dem Besitz seines Vaters im Keller gelagert. Als er jetzt aufräumte, kam der Karton wieder zum Vorschein. Darin lag der stilisierte Tierkopf, der sich in sehr gutem Zustand befindet.
Der zweite Kopf kam einen Tag darauf, nachdem seine Rückgabe schon seit längerem angekündigt worden war. Dieses Schmuckelement war in die Wand einer Garage in Wolthusen eingemauert worden. Nach dem Verkauf des Hauses konnte der historische Stein fachgerecht von der Emder Firma Arends, Baudenkmalpflege, ausgebaut werden. „Das ging tatsächlich ganz problemlos“, sagt Maurermeister Andreas Arends, der gemeinsam mit Mitarbeiter Reinhard Kühling vor Ort war.
Die weitere Recherche richtete sich nun auf drei Löwen-Reliefs, die im Ostfriesischen Landesmuseum in eine Schauwand im Ausstellungsbereich eingemauert waren, mit dem Umbau 2005 entfernt und in einem Magazin gelagert wurden. Oberbürgermeister Tim Kruithoff, der in die Frage einer Rückgabe eingeschaltet worden war, und der Vorsitzende von 1820dieKUNST, Gregor Strelow, waren sich mit Museumsleiterin Jasmin Alley schnell einig, dass die Steine zurückgegeben werden sollten.
Und dann geschah das Unerwartete. Roy Müller und Hinrich Dirksen vom Technischen Dienst des Museums, die beauftragt waren, die drei Löwenköpfe aus dem Magazin herauszusuchen, fanden zwei weitere Exemplare. Es waren eben jene beiden, die an der Gesamtzahl noch fehlten. Und so war die Freude in der Bibliothek groß. Man hatte sich auf eine längere Suche eingerichtet.
Bei der Übergabe der fünf Steine aus dem Magazin des Landesmuseums wurde dann die gute Zusammenarbeit der Einrichtungen und das Handeln auf kurzem Dienstweg thematisiert. Professor Dr. Kestutis Daugirdas, Jasmin Alley und Gregor Strelow waren sich einig, dass historische Objekte auf jeden Fall an ihren Ursprungsort zurückgeführt werden sollten. Man wolle zudem die konstruktive Zusammenarbeit auch künftig fortsetzen. „Das ist doch das Tollste, was Museumsleuten geschehen kann“, versicherte Jasmin Alley.
Die Große Kirche wurde im 11. Dezember 1943 weitgehend zerstört. Auch die Cirksena-Grablege befand sich in einem beklagenswerten Zustand. Von den Löwenköpfen ist auf den Fotos der Zeit nichts mehr zu sehen, und es ist auch nicht überliefert, wer sie wann wo ausgelagert hatte.
Der Ehrgeiz des wissenschaftlichen Mitarbeiters der Bibliothek, Dr. Klaas-Dieter Voß, richtet sich jetzt auf die Wiederauffindung weiterer Schmuckelemente vom Enno-Grab. Denn auch unterhalb der liegenden Figur des Grafen waren acht plastische Löwenköpfchen angebracht – allerdings wesentlich kleiner als die Köpfe im Unterbau. Aber auch vier vollplastische Löwen, die jeweils auf den Ecken der unteren Grabplatte lagen, sind verschwunden. Die Hoffnung richtet sich darauf, dass sie womöglich auch von Privatleuten bewahrt wurden – und nun ebenfalls zurückgegeben werden.
Die Fürstengruft
Als Graf Enno II. Im Jahr 1540 starb, ließ seine Frau, Gräfin Anna, ihm das Denkmal errichten. Es wurde um 1548 fertiggestellt. Da die eigentliche Grablege der Cirksena in Kloster Marienthal bei Norden von Baltharsar von Esens zerstört wurde, ließ sie die Gebeine der Vorfahren nach Emden bringen. Insgesamt waren es 15 Grafen, Gräfinnen und einige Grafengeschwister, die in die Fürstengruft umgebettet oder dort bestattet wurden. Erst der mit der Lutheranerin Katharina Wasa verheiratete Edzard II. entschloss sich, dem calvinistischen Emden den Rücken zu kehren. Er verlegte das Familienbegräbnis in die Lambertikirche zu Aurich.