Wenn ein Staatssekretär die Bälge tritt

Freepsum. Ein Vorstellungskonzert für die Freepsumer Orgel, die 25 Jahre lang (dazu Bericht oben) nicht bespielbar war: Da muss etwas besonderes passieren – zumal wenn am selben Tag die Briten eine Krönung erleben. Das mag sich auch Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke gedacht haben, der das Instrument am Abend des 6. Mai offiziell vorstellte. Und da Johann Saathoff – bis 2013 Bürgermeister der Krummhörn, danach Bundespolitiker mit einer Neigung zu plattdeutschen Reden im Bundestag, heute Staatssekretär im Innenministerium – ein intimer Kenner der fatalen Situation der Höffgen-Orgel ist, Geld für die Sanierung beschaffte und zudem an diesem Abend anwesend war, durfte er auch körperlich in Aktion treten. Denn die Orgel ist von Orgelbauer Martin Hillebrand (Altwarmbüchen) in den historischen Zustand zurückversetzt worden und weist demzufolge zwei Bälge auf, die noch getreten werden können.

Orgel von Freepsum mit der Rekonstruktion der Farbfassung, die Dietrich Wellmer (Groß Thondorf) 2021 anbrachte. Die Blümchen unterhalb der Pfeifen, sowie im oberen Schleierwerk sind Rot mit gelbem Kern

Gleich beim ersten Programmpunkt war Saathoff gefragt, bei Fanny Hensel-Mendelssohns „Hochzeitsmusik zur eigenen Vermählung mit dem Maler Heinrich Hensel“, einem opulenten Musikstück, bei dem schon einmal fünf der acht Register erklangen – und das mit Kraft und starkem Ausdruck. Denn die alte Orgel bringt mächtig Power in die kleine romanische Einraumkirche aus der Mitte des 13 Jahrhunderts. Dies auch wegen des Einsatzes des Politikers, denn Saathoff hielt das Treten bis zum Ende durch und lieferte so viel Wind, dass Dahlke das schöne Prelude F-Dur mühelos bis zum Ende durchspielen konnte.

Die folgenden Variationen, Rondos und Cantabiles – teilweise im Original, teilweise auch eine Oktave höher gespielt – ließen nach und nach die verschiedenen klanglichen Möglichkeiten der insgesamt acht Register und des angehängten „halben“ Pedals – hören. Zudem, und das war für das Publikum wohl deutlich wichtiger, waren es ganz zauberhafte, eingängige Melodien. Dahlke hat ein Händchen für die musikalische Auswahl und überrascht immer wieder mit seinen Ideen für sensible Kombinationen. In diesem Fall waren es neben Fanny Hensel die Komponisten Justin Heinrich Knecht, Christian Heinrich Rinck und Nicolas Jaques Lemmens, deren Werke das Programm bildeten.

Lemmens prachtvolle Fanfare D-Dur, oft als Musik zu Hochzeiten eingesetzt, wurde auf der Höffgen-Orgel zu einem wahren Ohrenschmaus. Und auch das Schlussstück, ein Finale D-Dur, wies einen ähnlich freudigen Grundton auf. Dazwischen hatte Dahlke Variationen über die englische Nationalhymne eingefügt und demonstrierte damit nicht nur politische Tagesaktualität, sondern er führte nochmals die Vielfalt der Zusammenstellung der einzelnen Register und des angehängten Pedals vor. Das gelang zum Vergnügen des Publikums ganz vorzüglich.