Heißer Tipp vom einstigen Kulturminister

Ostfriesische Landschaft feierte 50. Geburtstag des archäologischen Forschungsinstituts und verlieh Auszeichnungen

Aurich. Es war der einstige Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, der einen heißen Tipp hinterließ. Im Rahmen seines Grußwortes vor der Festgesellschaft beim Oll‘ Mai der Ostfriesischen Landschaft in der Lambertikirche verwies Thümler als Vorsitzender des Kuratoriums der VolkswagenStiftung darauf, dass die Stiftung in den nächsten Jahren Forschungsprojekte mit rund 700 Millionen Euro fördern werde. „Geld ist also genug da“, meinte der Politiker und empfahl der Landschaft, ein wissenschaftliches Projekt rund um das „Sammlungszentrum für historisches ostfriesisches Kulturgut“ zu entwickeln und dann einen Antrag zu stellen. Landschaftspräsident Rico Mecklenburg erwiderte, dass man sich darum kümmern werde.

Die eigentliche Festveranstaltung fand in der Lambertikirche statt

Die Landschaft hatte den 50. Geburtstag ihres archäologischen Forschungsinstitutes zum Anlass genommen, den diesjährigen Oll‘ Mai der Archäologie und seiner gesellschaftlichen Stellung zu widmen. Mecklenburg würdigte das Ereignis in seiner Begrüßung mit einem kurzen Rückblick. Es sei das Verdienst des damaligen Landschaftsdirektors Dr. Heinz Ramm und des Landschaftsrates Harm Wiemann, genannt Harm Landschaft, gewesen, dass das Bauprojekt angegangen wurde und das Haus am 13. Mai 1973 eröffnet werden konnte.

Referent Privatdozent Dr. Markus C. Blaich ging in seinem Festvortrag auf die gesellschaftliche Relevanz der archäologischen Forschung ein und verwies darauf, dass schon die „pfiffige“ Weimarer Verfassung die Sorge um Kunst und Natur gleichberechtigt in den Blick nahm und sie unter den „Schutz und die Pflege des Staates“ stellte. 1975 werde festgestellt, dass das archäologische Erbe ein „geistiges, wirtschaftliches, soziales Kapital von unschätzbarem Wert“ sei. Und 1995 finde sich in der Konvention von Malta ein Artikel, der – parallel zu den Gepflogenheiten im Naturschutz -, für den Verlust von Kulturgut eine finanzielle Kompensation vorsieht.

Der Niederländer Professor Dr. Henny Groenendijk beschäftigte sich in seinem Vortrag mit Möglichkeiten, die Bürger in das archäologische Geschehen mit einzubinden. Er resümierte: „Diese Einbeziehung hat ihre Grenzen.“ So könne man die Arbeit von Laien-Archäologen kaum kontrollieren. Es gäbe zwar genaue Bedingungen – Amateure dürfen nur eine Spatentiefe in den Boden gehen und müssen alle Fundstücke abgeben, Unterwasser-Forschung und Eingriffe in laufende Grabungen sind tabu – aber auch das sei nicht zu überprüfen.

Per Übertragung auf eine Großleinwand konnten die Besucher auch die „Brückenbauer“ gut beobachten

In einzelnen Fällen sei es in den Niederlanden gelungen, die Furcht von Privatleuten vor den zeitlichen und finanziellen Folgen archäologischer Untersuchungen abzumindern. Groenendijk erwähnte ein Projekt von 2003 in Westerwolde, wo 700 Bürger nach einer Einweisung bei einer Grabung selber Bodenprofile anlegten. Das Problem der Profis werde aber nicht geringer, weil immer mehr Arbeitsaufwand in neuzeitliche Funde gesteckt werden müsse.

Ehrungen

Die Ostfriesische Landschaft nutzt den Oll‘ Mai regelmäßig, um Ehrungen zu vergeben. In diesem Jahr waren es vier Bürger, die eine solche Ehrung erfuhren.

► Das Indigenat, die ostfriesische Ehrenbürger-Würde, erhielt Dr. Reinhold Kolck. Kolck habe sich durch die Gründung der „Stiftung bildende Kunst und Kultur in der deutsch-niederländischen Ems-Dollart-Region“ ebenso verdient gemacht wie durch seine Arbeit als Vorsitzender von 1820dieKUNST. Sein Einsatz für die „Stiftung Wirtschaftsarchiv Nord-West-Niedersachsen“, das inzwischen mit dem Niedersächsischen Wirtschaftsarchiv Braunschweig das Niedersächsische Wirtschaftsarchiv bildet, sei ebenso anzuerkennen. Weiterhin sei Kolck neben seinem Beruf als Hauptgeschäftsführer der IHK auch Vorsitzender der Ems-Dollart-Region (EDR) gewesen, habe sich in der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen, in der Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung und der Hochschule Emden-Leer engagiert.

Kolck nutzte die Gelegenheit zu einem dringenden Appell an die Ostfriesen, zusammenzustehen und die Bereiche Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft stärker zu verzahnen.

Geehrte und Ehrende: Matthias Süßen, Rico Mecklenburg, Margitta Kubik-Harms, Dr. Reinhold Kolck, Brigitte Milde, stellvertretende Kunstvorsitzende Silke Reblin, Björn Thümler und Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger. Bild: Sebastian Schatz, OL

► Ein weiteres Indigenat wurde Horst Milde zugesprochen. Der Politiker, der im März diesen Jahres verstarb, erhielt die Auszeichnung posthum. Sie wurde von seiner Frau, Brigitte Milde, entgegengenommen. Milde, gebürtiger Schlesier, fand in Holtland ein neues Zuhause. In Leer begann er die Verwaltungslaufbahn, wurde Bürgermeister von Leer, Oberbürgermeister von Oldenburg, Mitglied des Landtags, schließlich dessen Präsident. Für seine Bemühungen um die Verständigung mit Polen wurde er mehrfach geehrt.

► Mit dem Totius-Frisiae-Siegel, auch Upstalsboom-Siegel genannt, wurde Margritt Kubik-Harms für ihre vielfältige Betätigung im Bereich Pädagogik, Soziales und Kultur ausgezeichnet. Sie hatte sich schon früh um Kindergärten und Schulen gekümmert, gehört zu den Mitbegründern der Gedenkstätte Engerhafe, war in der Flüchtlingshilfe aktiv und organisierte in 30 Jahren mehr als 1000 Veranstaltungen im Gulfhof Ihnen in Engerhafe. Sie habe damit das Vermächtnis von Alma Ihnen, letzte Besitzerin des Hofes, erfüllt und den Hof zu einem Ort der Kultur gemacht.

Matthias Süßen, Journalist und Blogger, erhielt die Ubbo Emmius-Medaille. Als „aktiver Wikipedianer“ habe Süßen rund 700 Artikel über ostfriesische Themen geschrieben und bearbeitet und diese mit mehr als 7000 Fotos illustriert, heißt es in der Laudatio.

▄ Die musikalische Gestaltung des Vormittags lag beim Folk-Ensemble „Brückenbauer“ mit Ralf Strotmann, Bert Hadders und Otto Groote.

▄ Die Archäologen hatten anlässlich des Festtages eine kleine Ausstellung mit bemerkenswerten Funden der letzten fünf Jahrzehnte zusammengestellt – von der Grabung an der Auricher Burg bis zum Stackdeich von Jarssum. Auch der römische Schatzfund von Filsum wurde präsentiert.