Groß – in jeder Hinsicht

Emden. Groß aufgefahren wurde beim Auftaktkonzert der Gezeiten am Sonntag (4. Juni) in der Martin-Luther-Kirche – und das in jeder Hinsicht. Großes Orchester, großer Dirigent, großes Programm, großer Pianist, großes Publikum. Frank Beermann schöpfte buchstäblich aus dem Vollen. Schumann und Grieg – so klar die Programmauswahl war, so klar strukturierte der Dirigent, der schon lange zur Gezeitenfamilie gehört, seine musikalische Interpretation.

Pianist Matthias Kirschnereit in voller Aktion beim Auftaktkonzert in der Martin-Luther-Kirche in Emden. Bilder: Karlheinz Krämer


Mit sparsamer, aber eindeutiger Gestik, notfalls auch mit den Schultern, steuerte er das Orchester, die Nordwestdeutsche Philharmonie, durch die Partituren. Das Orchester war an diesem Abend einfach wundervoll. Präsent und lebhaft folgte es dem ansprechenden Dirigat, kraftvoll und zugleich lyrisch eloquent in der Ouvertüre zu „Manfred“. Tänzelnd, spielerisch, dann wieder energisch ergreifend und prächtig in der „Frühlingssinfonie“.

Nahezu 600 Besucher erlebten das Eröffnungskonzert mit der Nordwestdeutschen Philharmonie

Die Spannungsbögen waren nachzuvollziehen, setzen sie doch nicht auf Konfrontationen sondern eher auf Überschwang und Seligkeit. Die mitreißenden Klänge ließen das große Kirchengebäude unter leidenschaftlichen Paukenschlägen, dem dynamischen Einsatz der Bläser und dem expressiven Elan der Streicher sinnbildlich geradezu erbeben. Das war ein Werden und Gedeihen, ein Wachsen und ein Anstieg an Freude. Das Publikum reagierte enthusiastisch und applaudierte mit derart vollem Körpereinsatz, dass Beermann schließlich Küsschen ins Publikum warf und sich lächelnd bedankte.


Solist Matthias Kirschnereit gab mit seinen Einsatz in Griegs Klavierkonzert a-Moll op. 16 Einblick in seine Zeit als 18-jähriger musikalischer Newcomer. Die emotionale Verbindung zu diesem ersten, selbst aufgeführten Werk von derartigen musikalischen Dimensionen war deutlich spürbar. Und nach der unglaublichen Kadenz, mit der der erste Satz endet, erlebte das faszinierte Publikum herumtollende Trolle in Musik gesetzt, Passagen, in denen es den Solisten geradezu aus dem Sitz hob und einen „Kampf“ um die Vorherschaft des Tons zwischen Klavier und Orchester. Indes, alles kam zu einem versöhnlichen Ende. Ab und an wirkte das Spiel von Kirschnereit etwas irritiert. Doch schließlich wurde das machtvolle Werk mit viel Effee und elegantem Anschlag glücklich bewältigt.


Großer Beifall war dem beliebten musikalischen Leiter der Gezeitenkonzerte gewiss. Und bei seiner Zugabe, einem Prélude von Rachmaninow, wirkte sein Spiel ganz gelöst und feinsinnig – so, wie man es von Matthias Kirschnereit gewohnt ist.