Sensibel durch Räume und Zeiten

Remels. Schön, wenn ein Musiker nicht nur zu spielen, sondern sein Programm auch zu kommentierten weiß. Wenn dieser Musiker Matthias Kirschnereit heißt, kann man zudem sicher sein, dass es Anmerkungen sind, die den Hörgenuss fördern. Denn der künstlerischer Leiter der Gezeitenkonzerte hat den Dreh raus, mit Anekdoten und Bildern angenehme Assoziationen hervorzurufen. So beurteilt der Pianist die Mozart-Sonate A-Dur als „auskomponierte Liebe“, oder er bezeichnet Mozarts Fantasie c-Moll (KV 475) als „Oper in 13 Minuten“, oder er schwärmt von den Brahms-Walzern op. 39, die er dann auch gleich mit Leidenschaft spielt.

Gebannt lauschte das Publikum – 290 Gäste füllen das Kirchenschiff – dem Spiel Matthias Kirschnereits. Bilder: Karlheinz Krämer

Das Programm, das Kirschnereit am Sonntag (2. Juli) in der Kirche zu Remels vorstellte, bot ein vielschichtiges, aber auch stimmungsvolles Bild. Denn in jeder Komposition ließ sich etwas Tröstliches oder Raffiniertes finden. Bei den Walzern war es der mit der Nr. 15, bei der Mozart-Sonate das Allegretto „Alla Turca“, bei den Rachmaninow-Préludes jenes mit der Satzbezeichnung g-Moll, bei Ginastera der 4. Satz mit der Bezeichnung „Ruvido ed ostinato“, bei dem die Noten durchgehen „gehämmert“ (Kirschnereit) werden.


Bemerkenswert auch, dass Kirschnereit dem in jede Richtung informativen Programmheft, geschrieben von dem kenntnisreichen Jan Kampmeier, immer noch Informationen hinzuzufügen wusste. So etwa die Anekdote von Rachmaninow, der in New York auf den Pianisten Benno Moiseiwitsch trifft. Dieser hatte im Konzert unter anderem Rachmaninows Prélude h-Moll op. 32 gespielt, und nun fragt Moiseiwitsch den Komponisten nach dessen Idee, seiner Motivation für dieses Stück, das Rachmaninow als sein Lieblings-Prélude bezeichnet hatte. Er erntet Schweigen. Dann benennt Moiseiwitsch seinen eigenen Eindruck: „Es geht um Sehnsucht nach der Heimat?“ – und Rachmaninow nickt stumm und ergriffen.

Kirschnereit scheint sein Programm zu durchfliegen. Sensitiv und poetisch entsendet er Impulse ins Publikum, das diese begeistert aufnimmt – und nach mehr verlangt. So gibt es als Zugabe ein Nocturne von Chopin und schließlich das schönste Geschenk – die Etüde in As-Dur (op. 25, Nr. 1), auch bekannt als „Äolische Harfe“. Das klingt bei Kirschnereit weniger ätherisch als vielmehr sehr lebendig und kraftvoll. So durchmisst der Pianist Räume und Zeiten – voller Freude am Spiel, intensiv und impulsiv.