Kreative Begegnung zweier entfernter Epochen

Emden. Dass Barockmusik mit zeitgenössischer Musik konfrontiert wird, ist nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich bei diesem Konzert war die Auswahl dessen, was im Rahmen des Musikalischen Sommers in Ostfriesland in der Kunsthalle präsentiert wurde. Im Atrium, das einerseits ein intimes Umfeld bot, andererseits den Blick in den kraftvollen Wolkenhimmel öffnete, agierten Johanna Bartz (Traversflöte) und Elina Albach (Cembalo) mit einem Programm, das auf Bach basierte, ihn aber nur in einem einzigen Stück im Original bot, sich ansonsten auf Bearbeitungen und Arrangements stützte und diese in kreativer Weise mit zeitgenössischer Musik „würzte“.

Elina Albach und Johanna Bartz konzertierten vor einem Gemälde von Jan Pleitner. Bild: Karsten Gleich

Das Programm musste kurzfristig neu aufgestellt werden, da der eigentlich angekündigte Oboist Juri Vallentin ganz kurzfristig ausgefallen war, erklärte Elina Albach. Somit galt es nicht nur, in kürzester Zeit einen neuen Duo-Partner zu finden, sondern auch die Musik entsprechend neu zusammenzustellen. Und so wurde teilweise französische Musik eingebaut, aber auch der amerikanische Komponist John Thow (1949 bis 2007) eingebaut, dessen Werk „To invoke the clouds“ indigene Musiktraditionen zitiert. Diese sehr freie Musik setzten die beiden Musikerinnen als Mittelstück in die barocke Sonate g-Moll op. 2 des Flötenvirtuosen und Komponisten Michel Blavet (1700 bis 1768). Und da beide Musikstücke den Erfordernissen nach Qualität genügten, waren sie sich auch nicht im Wege, will heißen: sie ergänzten sich nicht unbedingt, waren sich aber auch nicht wirklich fremd und wurden so zu einem sehr gelungenen Experiment innerhalb eines ideenreich zusammengefügten Ganzen.

Der erste Teil bot faszinierende Einblicke in die Komponierkunst des Argentiniers Mauricio Kagel, der eine „Rezitativarie für singende Cembalistin“ geschrieben hat, in der er Texte aus Bach-Chorälen zitiert. In der Musikliteratur als „Stilblüten ekstatischer Frömmigkeit“ benannt, verbirgt sich dahinter eine Haltung, die den religiösen Gehalt dieser Musik als gesellschaftlich nicht mehr relevant erkennt. Elina Albach löste diesen Konflikt sehr geschickt mit erstaunlich satter Stimme, ohne zu verhehlen, dass es hier um ein Werk mit gehörigem Potential zur herzhaften Verwunderung handelte.

Im zweiten Teil war dann auch Bach im Original zu hören. Es erklang seine schöne Sonate e-Moll für Traversflöte und Continuo und endete mit der Sonate in G-Dur, wobei die rechte Hand der Cembalistin die Melodieführung der zweiten Traversflöte übernahm. Fazit: Ein eindrucksvoller Abend, der musikalisch hohe Qualität und mit seiner Begegnung zweier entfernter Epochen ein wahrhaft originelles Programm bot.