Zwölf Mal – Fantasie und Wirklichkeit

Aurich. Die Landschaft Ostfrieslands ist ein Ausgangspunkt, aber das Feld der Darstellungen reicht weiter – der „Ostfriesische Kunstkalender“, der seit mehr als 60 Jahren gemeinsam von der Landschaftlichen Brandkasse und der Ostfriesischen Landschaft herausgegeben wird, steht in diesem Jahr unter dem Motto „Fantasie und Wirklichkeit“.

Dabei haben die vier Juroren unter Leitung der Kunsthistorikerin Dr. Annette Kanzenbach zwölf Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die jeweils einen Monat des Jahres 2024 repräsentieren. Dass man sich weder Auswahl noch Zuordnung leicht gemacht habe, schilderte Annette Kanzenbach im Rahmen eines Pressegespräch bei der Brandkasse in Anwesenheit der Berater Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger, Thomas Weiss, Vorstandsvorsitzender der Brandkasse, Signe Foetzki, Sprecherin der Brandkasse.

Stehen alle für ein Produkt, den Ostfriesischen Kunstkalender: Signe Foetzki, Dr. Annette Kanzenbach, Thomas Weiss, Helmut Müller, Rico Mecklenburg, Theo Haasche, Dr. Matthias Stenger, Wan-Yen Hsieh, Kriso ten Doornkaat, Ulrich Schnelle, Professor Dr. Klaus Hentschel (Sohn von Ruth Schmidt-Stockhausen), Almuth Baumfalk und Jan Timmer (Lebensgefährte von Elisabeth Tatenberg)

Annette Kanzenbach hob hervor, dass die Arbeiten im Kalender alle künstlerischen Techniken – bis auf die Bildhauerei – beinhalten. Die Landschaft werde dabei zum Ausgangspunkt für Verfremdungen. Die Künstler seien alle unabhängig voneinander ihren künstlerischen Weg gegangen und „entsprechend breit ist das Spektrum ihrer ästhetischen Verwandlungen der Region“. Sie selber stellte die Künstler vor :

Januar: Hermann Buss (Jahrgang 1951) Hafen und Meer sind die zentralen Sugets in seinem Schaffen. Seine wirklichkeitsnahen Kompositionen sind atmosphärisch dichte Kunstwerke. Sie überraschen mit realistischen und surrealisitischen Motivverknüpfungen, die existenzielle Fragen aufwerfen. Das Motiv lenke den Blick in die Zukunft. Was wird kommen?

Februar: Marikke Heinz-Hoek (Jahrgang 1944) – Die Arbeit gehört zu einer Serie, in der sie als Zeichengrund unterschiedlichste Fundstücke nutzt. Hier ist es der Offsetdruck eines barocken Gemäldes. Solche Verbindungen charakterisieren den kleinen gezeichneten Landschaftsausschnitt als Teil eines großen Ganzen.

März: Ricardo Fuhrmann (Jahrgang 1959) – Fuhrmann lebt seit drei Jahrzehnten in Norden. Dem ausgewählten Werk liegt die Erinnerung an einen Spaziergang mit einer Freundin zugrunde. Sie wünschte sich, an einem so schönen Ort einmal zu heiraten. Das farbenfrohe Werk trägt den Titel „Die jüdische Hochzeit“.

April: Almuth Baumfalk (Jahrgang 1962) – Die nordwestdeutsche Halbinsel ist Hintergrund für eine stempelartig wiederholte Melkerin. Wie wenig zutreffend dieses Klischee von Land und Leuten ist, vermitteln die wenig übereinander passenden Druckplatten.

Mai: Herbert Müller (Jahrgang 1953) – Die ackerbaulich genutzte Landschaft ist eines der Motive, die er auf vielfältige Weise mit charakteristischen Zusamenfassungen aus gegeneinander gestellten Flächen, Farben und Strukturen gestaltet. Dabei spiegelt er die ostfriesische Landschaft, ohne sie wirklich abzubilden. Ein Blatt, das in Corona-Zeiten entstand, gegen Depressionen.

Juni: Wan-Yen Hsieh (Jahrgang 1964) – Das Gemälde gehört zu einer Serie, in der sie Verbildlichungen für die „Kräfte und Zustände“ sucht, die der Mensch mit sich selbst, mit anderen und mit seiner Umwelt erlebt. Entstanden ist eine Folge komplex komponierter Abstraktionen aus Farben, Flächen und Linien, aus Richtungen, Spiegelungen und Durchbrüchen, die auf vielfältige Weise zum Nachspüren einladen.

Juli: Michael Francis Podulke (1922 bis 1988) – Der Amerikaner kam 1975 nach Ostfriesland und blieb. In seiner letzten Schaffensperiode entstand ein vielfältiges grafisches und malerisches Werk, zu dem Landschaftsdarstellungen von Klarheit wie Rätselhaftigkeit gehören – wie in dieser Dünenlandschaft.

August: Ulrich Schnelle (Jahrgang1953) – Aus Spaziergängen entlang der Mündung der Ems in den Dollart entstand die Werkreihe „Endje van de Welt“, so genannt wegen der früher dort endenden Straße. Das ausgewählte Gemälde wurde durch ein im Wind flatterndes Absperrband angeregt, mit dem im Entstehungsjahr einige der Deichwege abgesperrt waren. „Dabei sieht man vieles, an dem man sonst achtlos vorbei geht.“

September: Ruth Schmidt-Stockhausen (1922 bis 2014) – Einer ihrer Motivkreise war die Nordseeküste mit allem, was dort zu finden war. Aus dem Gesehenen gestaltete sie Bilder von lyrischem bis dramatischen Charakter. Das „Fischernetz“ verwandelte sie unter Beibehaltung seiner unverkennbaren Struktur in eine Farbkomposition, die an die Nützlichkeit wie Vergänglichkeit der dinglichen Welt erinnert.

Oktober: Theo Haasche (Jahrgang 1955) – Spuren, die die Menschen in der Welt hinterlassen, verwandelt der gebürtige Norder in Gemälde mit unterschiedlich ausgeprägter Wirklichkeitsnähe. Er hebt Schönheiten wie Gefährdungen hervor. Seine Darstellungen sind immer geprägt durch Eindrücke seiner ostfriesischen Heimat, durch das Meer und eine von Naturkräften geformte flache Landschaft.

November: Kriso ten Doornkaat (Jahrgang 1961) – Ihre Arbeiten zeichnen sich durch technische Perfektion und breite gestalterische Fantasie aus. In ihren Zeichnungen, Gemälden und Plastiken bleibt sie dem Gegenständlichen nah, doch verfremdet sie die vertrauten Motive durch surrealistische und absurde Kombinationen. Die Künstlerin enthüllt Träume und Schwächen der Menschen in ihrer Welt.

Dezember: Elisabeth Tatenberg (1953 bis 2022) – Ihre letzte Werkphase galt dem Erlebis des farbigen Himmelslichts. Ausgangspunkt waren immer Naturbeobachtungen, die die Künstlerin in Farb- und Wolkenkompositionen übersetzte, die mal wirklichkeitsnäher, mal verfremdeter erscheinen. Ihre spezifische Malweise, ein stetiges Auf- und Abtragen dünnflüssiger Farbschichten, verleiht den Gemälden eine mit Unendlichkeit und Schwerelosigkeit korrespondierende Verdichtung.

► Der Kunstkalender ist über den Handel, über das Internet (www.olv-gmbh.de) oder über die Ostfriesische Landschaft (Tel. 0 49 41 / 17 99 26) erhältlich. Dank der Förderung kostet er 18,95 Euro