„Hallo, Pastor Jesus!“

Der lutherische Pastor Christoph Jebens wird Sonntag in den Ruhestand verabschiedet

Emden. „Eigentlich“, sagte Christoph Jebens nachdenklich, „eigentlich habe ich während meiner gesamten Dienstzeit immer mit Bauarbeiten zu tun gehabt.“ Ständige Sanierungen innerhalb der Martin-Luther-Kirche, der Neubau des Gemeindezentrums und einer Kindertagesstätte in Wolthusen, der Bau eines neuen Pfarrhauses. Auch jetzt, wenige Stunden vor seinem Eintritt in den Ruhestand, lebt er in seinem neuen Zuhause in Wolthusen mit Umbaumaßnahmen. Wäre er nicht besser Architekt geworden? Jebens grient. Nein, von seinem Beruf ist er vollständig überzeugt: „Diese Vielfalt der Aufgaben, diese Bezogenheit auf Menschen – nein, es ist ein wunderbarer Beruf, Pastor zu sein.“

Pastor Christoph Jebens mit dem Taufbecken der Martin-Luther-Kirche

Diese Gewissheit hat ihn durch fast 30 Jahre getragen. Zum 1. Dezember 1994 kam Jebens aus dem Oberharz nach Emden. Dort hatte er die ersten sieben Jahre als Theologe verbracht – und nun die große Martin-Luther-Kirche in Emden. Dass Christoph Jebens dann geblieben ist, hat ihn selber gewundert. „Ich halte den Wechsel der Pfarrstelle grundsätzlich nämlich für sehr sinnvoll.“ Doch immer ergaben sich stichhaltige Gründe zu bleiben. Denn man werde vertraut miteinander – und da würden Brüche immer schwieriger, je länger man bleibe. Aber es gab ja auch genug zu tun.

Jebens wurde beauftragt, das lutherische Gemeindeleben im vierten Pfarrbezirk der Martin-Luther-Gemeinde, in Wolthusen, verstärkt aufbauen. Dort gab es zwar ein Pfarrhaus, aber keines für die Gemeinde. Der Kirchraum lag über der Wohnung des Pastoren. „Man kann sich denken, dass diese räumliche Situation nicht eben förderlich war, um verstärkte Aktivitäten zu entwickeln.“ Später logierte die Gemeinde dann in einer Baracke, die zuvor die Jugendwerkstatt genutzt hatte. Es entwickelten sich verschiedene Kreise, und Jebens predigte 14-tägig. Doch der junge Pastor wollte mehr.

Dann allerdings stellte sich heraus, dass der Kirchenbesuch in kleinerem Umfang verlief als geplant. Es kam die Idee auf, Gottesdienst in der reformierten Kirche Wolthusen zu feiern – und zwar mit der dortigen Gemeinde. Die kleine Ökumene zwischen zwei evangelischen Kirchen funktioniert bis heute.

Es gibt auch anderes, was Jebens begeistert. Als die Martin-Luther-Kirche zur Kulturkirche bestellt wurde, war das für ihn ein Erlebnis. „Etwas ganz anderes ausprobieren zu dürfen – das passiert einem als Pastor ja sonst eher nicht.“ Es kamen große Konzerte, ungewöhnliche Programme, schöne Ausstellungen, und neue menschliche Begegnungen. „Eine große Freude!“ Auch der „Ökumenische Kreis“, in dem sich Emder Pastoren jeder Konfession treffen, war ihm ein Geschenk. Im Gespräch miteinander habe sich eine „Bereicherung durch Verschiedenheit“ entwickelt.

Wenn Christoph Jebens jetzt in den Ruhestand tritt, dann geschieht dies in einer Zeit, in der sich Veränderungen innerhalb der Kirche vollziehen. Das reine Ehrenamt wird weniger. Parallel dazu erweitert sich aber der Kreis der Menschen, die als Lektoren und Prädikanten verantwortlich innerhalb der Kirche wirken möchten. Von diesem Kreis werde die Kirche mehr und mehr getragen, was auch damit zusammenhänge, dass die Zahl der Pastoren immer weniger werde. In diesem Jahr kommen gerade mal drei ausgebildete Theologen auf rund 70 vakante Pfarrstellen.

Auch die sogenannten Kirchenöffner, das sind Menschen, die im Sommer Gäste durch die jeweilige Kirche begleiten, gehören zum Kreis derer, die durch viel Wissen um Kirche und Konfession wesentliche Impulse gäben. Dem gegenüber stehe die Tatsache, dass im allgemeinen die christlichen Inhalte nicht mehr im Zentrum des Lebens stünden, meint Jebens.

Der gebütige Verdener, dessen leidenschaftliches Hobby das Kochen ist, sieht seinem Ruhestand mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits sei da Freude, „dass man nun nicht mehr muss“, andererseits füllt sich sein Terminkalender für Oktober schon wieder, so dass ihn nicht nur die Kasualien, sondern auch das Predigen wohl noch bleiben wird. Das betreit Jebens „situativ, spontan und direkt“, wie er selber sagt. Man dürfe an diesem Teil des Gottesdienstes „nicht zu lange herumbasteln“, das gäbe nichts. Auch hält er nichts von einem langen Vorlauf. Eine Predigt gelinge deutlich besser, wenn sie unter zeitlichem Druck geschrieben werde. Dennoch gerät auch Jebens ins Staunen darüber, dass ihm immer noch Neues einfalle.

Er verweist dabei auf den jüngst verstorbenen Alt-Bischof Horst Hirschler, der in Göttingen Predigt-Seminare anzubieten und dabei seine Methode der „Exegese der Wirklichkeit“ zu empfehlen pflegte. Diese Methode bestand darin, den Bibeltext des kommenden Sonntags intensiv zu lesen und mit ihm eine Woche lang zu leben, ihn immer wieder zu überdenken und erst dann in eine Predigt einmünden zu lassen. Eine solches Seminar hatte Jebens mit Gewinn mitgemacht.

Gibt es aus 30 Jahren ein schönes Erlebnis, an das er gerne zurückdenkt? Solche schönen Momente habe er viele erlebt, sagt Christoph Jebens. An einen besonders zauberhaften erinnert er sich aber immer wieder sehr gerne. Er kam mit dem Rad an der Wolthuser Kindertagesstätte vorbei, wo er häufig Kindergottesdienste hielt. Die Kinder sahen ihn und riefen ihm fröhlich zu: „Hallo, Pastor Jesus“, wobei sie mit kindlicher Treffsicherheit seine Tätigkeit als Pastors und seinen Namen munter verballhornten.

► Pastor Christoph Jebens wird am Sonntag, 17. September, um 15 Uhr im Rahmen eines Festgottesdienstes in der Martin-Luther-Kirche von seinem Dienst entpflichtet. Mit Mona Bürger steht seine Nachfolgerin schon bereit.