Die Neuschöpfung eines Klangbildes

Riepe. Die historische Orgel in der Kirche zu Riepe ist abgebaut und nach Dresden transportiert worden, um dort renoviert und erweitert zu werden. Das teilt Uwe Endjer, Mitglied im Kirchenvorstand der Gemeinde und als Orgelbeauftragter eingesetzt, mit.

Die Abbauarbeiten sind im Gange, aber noch erkennt man die Wenthin-Orgel als Ganzes. Die geschwungene Brüstung ist ebenfalls von Wenthin gebaut worden. Bilder: Uwe Endjer

Der Abbau ging in zwei Schritten vor sich. Orgelbaumeister Kurt Quathamer aus Bordesholm beschäftigte sich mit dem Ausbau der Pfeifen der jüngeren Orgel, die zwischen 1966 und 1970 von der Orgelbauwerkstatt Alfred Führer hinter die historische Orgel gesetzt worden war. Abschließend waren Mitarbeiter der Orgelbaufirma Kristian Wegscheider vor Ort, die die noch original erhaltenen Prospektpfeifen und das historische Gehäuse der Orgel des Meisters Johann Friedrich Wenthin (1746 bis 1805) abbauten und abtransportierten. Die Arbeiten sollen in der Werkstatt Wegscheider in Sachsen erfolgen.

Der Abbau beginnt im hinteren Bereich. Dort steht die Führer-Orgel aus den 60er Jahren. Orgelbaumeister Kurt Quathamer und Mitarbeiterin Claudia Beck lagern die Pfeifen vorerst links von der Orgel. Die kleineren Pfeifen werden in den Holzkästen verstaut

Damit hat ein Projekt begonnen, das die lutherische Kirchengemeinde seit drei Jahren verfolgt und das letztlich dazu dient, das Werk des Orgelbaumeisters Johann Friedrich Wenthin zu komplettieren und in seinem Sinne zu erweitern. Dafür konnte die Gemeinde mit Hilfe von Orgelrevisor Winfried Dahlke und Fachberater Albert Kretzmer Fördergelder einwerben – beim Bund, der lutherischen Landeskirche, dem Land Niedersachsen, der Klosterkammer, bei mehreren Stiftungen und auch in der eigenen Gemeinde. Fast 320 000 Euro wurden zusammengetragen. Das Geld soll in erster Linie dazu verwendet werden, die fehlenden historischen Orgelpfeifen nachzubilden. Dazu werden auch die Orgeln von Backemoor, Reepsholt und Groothusen einbezogen. Sie gelten als Referenzorgeln für das große Projekt der Neuschöpfung eines Klangbildes, das vor rund 250 Jahren für Riepe geschaffen wurde.

Hier erkennt man die hintereinander stehenden Orgeln: links die historische von Johann Friedrich Wenthin, rechts die neuere von Alfred Führer

Die Werkstatt von Kristian Wegscheider hat erst kürzlich die Orgel von Petkum renoviert und erweitert (KiE berichtete unter https://www.kultur-in-emden.de/2023/11/05/was-fuer-eine-pracht/). Nun also Riepe. Uwe Endjer betont, wie wichtig es war, jetzt tätig zu werden. „Wir haben finanzielle Zusagen, aber auch einen zeitlichen Rahmen. Wir mussten loslegen.“ Denn eigentlich wollte die Gemeinde die Arbeiten von der Orgelbauwerkstatt Jürgen Ahrend durchführen lassen. Doch die Logaer Orgelbauer konnten erst einen Termin in sechs Jahren anbieten – dann wären aber die Gelder nicht mehr abgreifbar gewesen. Kristian Wegscheider sei eine ausgezeichnete Alternative gewesen, da er im selben Sinn arbeite wie Ahrend, sagt Endjer. Das habe er schon in Petkum bewiesen, wo er die Valentin Ulrich Grotian-Orgel restaurierte.

Von der Wenthin-Orgel sind nur die erste Pfeifenreihe und das Orgelgehäuse im Original erhalten

Während Kurt Quathamer mit Unterstützung seiner Mitarbeiterin Claudia Beck die Pfeifen der Führer-Orgel ausbaute, um sie wiederzuverwenden, beschäftigten sich Matthias Weisbach, Hartmut Schütz und Christian Mrzik mit dem Abbau der Wenthin-Orgel. Das ging ruckzuck. Und nun beginnt in Dresden die Rekonstruktion und Erweiterung der historischen Orgel. Die Gemeinde hat derweil mit Hilfe der Aloys Wobben-Stiftung eine elektronische Orgel von Kawai anschaffen können, die ein Ersatz für das nächste Jahr ist. Denn erst zu Weihnachten 2024 wird die Wenthin/Wegscheider-Orgel zurückerwartet.

Die historische Orgel ohne Pfeifen. Auch die Schmuckelemente sind schon entfernt worden

Bis es soweit ist, soll auch ein zweiter Bauabschnitt realisiert sein. Denn Wenthin hatte seinerzeit ein zweites Manual eingeplant, aber nie realisiert. Auch das Pedal soll erweitert werden. Kristian Wegscheider meint dazu: „Wir haben jetzt die Chance, die Orgel so zu realisieren, wie Wenthin es seinerzeit getan hätte, wenn er die finanziellen Möglichkeiten gehabt hätte.“ Dieser zweite Bauabschnitt schlägt mit 185 000 Euro zu Buche. Und wieder fand der Kirchenvorstand Geldgeber, so dass auch diese Wünsche erfüllt werden können.

Die letzten Teile werden entfernt und verpackt: die Mitarbeiter der Firma Wegscheider und Orgelbaumeister Kurt Quathamer

In Planung ist ein dritter Bauabschnitt. Bei diesem geht es um den Einbau eines Zimbelsterns, eines Vogelsangs und einer großen Trompete. Damit sollen die Spielmöglichkeiten der Orgel weiter vervollständigt werden. Dieses Teilprojekt ist noch nicht durchfinanziert. Es werden noch weitere Spender gesucht, damit die Wenthin-Orgel in einem Jahr in noch nie gehörter Schönheit konzertieren kann.

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