Auf ins Morgenland!

Emden. Das Morgenland. In der Sammlung „1001 Nacht“ wird es lebendig: opulent, farbenfroh, sprühend und sprachlich wundersam biegsam. Hier wird Arabisch gesprochen, Persisch und Türkisch. Und Scheherazade erzählt ihrem Herrscher eine Geschichte nach der anderen. Heute würde man sagen, sie, die vom Tode bedroht ist, produziert in allen Geschichten einen Cliffhanger, einen Spannungsabbruch, der natürlich eine Fortsetzung (in der nächsten Nacht) unabdingbar machte.

Gestalteten den Abend: Harald Groenewold, Hermann Wiedenroth und
Dr. Michael Weichenhan

Die „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“ hatte zum literarischen Orient in die Bibliothek eingeladen, und viele waren gekommen. Nicht so viele, wie sonst, aber es gab parallel eine zweite Lesung. Da musste man sich entscheiden.

Hermann Wiedenroth las und sprach und spielte und ließ sich genüsslich die vielgestaltige Materialität exotischer Speisen, Gewürze und Getränke auf der Zunge zergehen, die in einer der Geschichten eine wesentliche Rolle spielen. Taktvoll nahm er dabei die dem Text innewohnenden erotischen Pikanterien aus. Dafür zeigte er, dass die wirkungsvolle Unterbrechung tatsächlich ein Argument sein kann, die Erzählungen, die sehr wohl mindestens doppelte Böden haben, selber nachzulesen.

Daneben konnte der Besucher auch noch allerhand lernen. Denn es hat „nur“ 285 Geschichten gegeben. Die anderen wurden von phantasievollen Übersetzern hinzugedichtet oder aus anderen Sammlungen hinzugefügt. Dass diese Hinzufügungen, die das Gepränge des Orients lebhaft darstellen, ausgerechnet auch die bekanntesten Märchen der „1001 Nacht“ sind – „Ali Baba und die 40 Räuber“ oder „Aladdin und die Wunderlampe“ oder „Sindbad der Seefahrer“ – das gehört wohl zur Ironie des Schicksals, die auch ein solches Werk treffen kann..

Die Lesung von Wiedenroth war vielgestaltig, gestenreich und sprechend. Dagegen setzte Dr. Michael Weichenhan, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek, Informationen und Fakten. Beides gemeinsam gestaltete einen Abend, der unterhaltsam und lehrreich war, dabei aber nie belehrend wirkte. Mit leichter Hand zeigte Weichenhan die Entwicklung der Übersetzungen auf und präsentierte dabei Übersetzer, deren Lebensläufe allein so spannend waren, dass man ihnen eigene Abende zubilligen möchte. Da finden sich unternehmenslustige Abenteurer, Sprachakrobaten mit polyglotten Fähigkeiten, trockene Wissenschaftler und fein spinnende Erzähler, die den Übersetzungen einen eigenen Touch, eine persönliche Note verleihen.

Eingangs hatte der Vorsitzende der „Freunde“, Harald Groenewold, die Besucher eingeladen, auf dem „Fliegenden Teppich“ Platz zu nehmen, um die Reise ins Morgenland zu unternehmen. Sie kamen – um allerhand Erfahrungen bereichert – wieder zurück.