Wo Makrele und Wachskerze Kunst erklären

Emden. Schon seit einer Dekade beschäftigt sich der wissenschaftliche Mitarbeiter im Ostfriesischen Landesmuseum Emden, Diethelm Kranz, mit einer ganz speziellen Ausprägung innerhalb der Philologie, den Redewendungen oder geflügelten Worten. Etwas ist „Schnuppe“, jemand ist „pikiert“, die Sache hat einen „Haken“ – das alles sind Beispiele für feste Verbindungen von Wörtern, die zusammengenommen eine bestimmte bildhafte Bedeutung haben.

„Etwas hat einen Haken“ – versinnbildlicht durch einen Fisch am Angelhaken. Diethelm Kranz mit seinem Buch „Die Liebe gewinnt immer“

Diethelm Kranz erprobt die Wirkung solcher Wendungen schon seit längerer Zeit im Rahmen von Führungen durch das Museum. Er bringt dabei Wort und Bild zusammen, wobei er Objekte des Hauses nutzt, um Erklärungen zu liefern – zum Beispiel für „Geld auf den Kopf hauen“ oder „Liebe geht durch den Magen“. „Die Besucher haben immer ihren Spaß dabei“, hat Kranz festgestellt. Teilweise würden sie auch direkt Anregungen geben. Auch das war ein Anstoß, etwas Weitergehendes zu erproben. Nun hat er 50 dieser Redewendungen in einem Buch zusammengefasst, wobei die metaphorischen Erläuterungen über schön aufgenommene Fotographien erfolgen, die zumeist von dem Oldenburger Fotographen Sven Adelaide stammen.

Zunächst als Broschüre konzipiert, entschied man sich dann doch, ein hochwertiges Hardcover-Buch im verbreiterten Din A5-Format zu wählen. Ganz konsequent ist der Text auf die linke, das jeweilige Bildmotiv auf die rechte Seite gestellt. Das Buch steht als anregende Lektüre für sich, kann aber auch als amüsanter Führer durch das Museum genutzt werden. „Ich bin tatsächlich von unten nach oben durchs Haus gegangen, um passende Motive zu finden“, berichtet Kranz. Diesen Weg von der Gartenplastik im Foyer bis zur Pike in der Rüstkammer kann der Leser nun auf knapp 140 Seiten nachvollziehen. Daneben stammen einige Objekte aber aus dem Magazin, wie etwa die Trommel der Emder Bürgerwehr, die für die Redewendung „Die Werbetrommel rühren“ steht.

Bei der offiziellen Vorstellung des Buches: Silke Reblin (1820dieKUNST), Autor Diethelm Kranz, Museumsdirektorin Jasmin Alley und KUNST-Vorsitzender Gregor Strelow. Bild: OLME

Hat Kranz noch mehr Redewendungen im Gepäck? „Ich könnte ohne weiteres ein zweites Buch machen.“ Warum 50? – Irgendwo habe man eine Grenze setzen müssen. 50 schien da eine gute Zahl zu sein. Die Begeisterung für die Sache betraf nicht allein den Autor. Auch die Kollegen im Haus seien beteiligt gewesen. „So ein kulturhistorisch ausgerichtetes Buch entsteht durch die Beteiligung vieler.“ So war etwa geduldige Hilfe nötig, um einen vollständigen, nicht ausgenommenen Fisch zu besorgen.

„Das war gar nicht so einfach, bis wir bei Fisch Claassen fündig wurden.“ Manchmal brauchte es auch eine Montage, um den Begriff in rechter Weise ins Bild zu setzen. Das gilt etwa für die Formulierung „Dahin gehen, wo der Pfeffer wächst“. Dann wiederum war familiäre Hilf von Nöten, als Kranz partout keine Bienenwachskerze auftreiben konnte, um die Redewendung „Schnuppe sein“ zu visualisieren – wobei die „Schnuppe“ das verbrannte Ende des Dochtes bedeutet. Seine Mutter zog dann schließlich das begehrte Objekt aus einer Schublade.

Bei manchen fotographischen Umsetzungen musste auch getrickst werden. Wer bei der Redewendung „Die Flinte ins Korn werfen“ eine historische Muskete, die eigentlich nur mit Handschuhen angefasst werden darf, dennoch ins Bild setzen will, um zu einem attraktiven Bild zu kommen, der greift eben zu einem Kornsack, der malerisch um das Gewehr drapiert wird.

In einem einzigen Fall wurde bewusst gegen das Handschuh-Gebot verstoßen. Für die Redewendung „Seine Hände in Unschuld waschen“ nutzte man mit Einverständnis des zuständigen Kurators ein Lavoir des 16. Jahrhunderts, das sich im Ratsschatz der Stadt Emden befindet. „Ein Waschgeschirr ist für den Gebrauch gedacht, und das klare Wasser schadet auch nicht,“ erläutert Kranz. Nach dem Fotographieren wurde das teilvergoldete Silberobjekt sorgsam trocken gerieben und gleich wieder an Ort und Stelle in den Ausstellungsbereich gebracht.

Für Kranz ist besonders wichtig, dass das Buch, das im Isensee-Verlag erschienen ist, in mehrerer Hinsicht nachhaltig ist. Es ist unabhängig von einer bestimmten Ausstellung. Der Hartcover-Einband verspricht Langlebigkeit. Das Format des Buches ist unkompliziert zu transportieren, und das Druckpapier wurde aus Altmaterial hochwertig recycelt.

Diethelm Kranz (Jahrgang 1968) ist Historiker und Romanist, kommt aus Ostwestfalen und arbeitet seit 2005 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostfriesischen Landesmuseum in Emden.

► Das Buch „Die Liebe gewinnt immer. Mit 50 Redewendungen und geflügelten Worten durch das Ostfriesische Landesmuseum“ ist in einer Auflage von 1000 Stück erschienen. Es ist im KUNST-Laden erhältlich und kostet 19,80 Euro (ISBN 978-3-7308-2069-8). Anteil an der Realisierung des Buchprojektes hatte 1820dieKUNST.e Bedeutung bildhaft / metaphorisch.