Vor 80 Jahren: Die Große Kirche ist zerstört

Emden. An diesem Montag, 11. Dezember 2023, ist es genau 80 Jahre her, dass die Große Kirche bis auf einige Mauern und Pfeiler zerstört wurde. Der Angriff am 11. Dezember 1943 fand zwischen 11 und 15 Uhr statt.

Zeitdokument: die Große Kirche brennt

Die Emderin Maria Barghoorn hat in ihrem Kriegstagebuch, das ihr Sohn Johannes 2001 transkribiert hat, einen genauen Bericht gegeben. Demnach wird an diesem Tag besonders das Boltentorviertel zerstört. Es gibt große Brände. Das Hotel „Deutscher Kaiser“ brennt ebenso wie das Herrenlogement, das Museum der Naturforschenden Gesellschaft am Wall, die Emder Bank, das Central-Hotel. Am Markt schlagen Flammen aus nahezu allen Häusern. Und dann heißt es in den Aufzeichnungen von Maria Barghoorn fast lapidar: „Die Große Kirche brennt auch noch, sie ist vollständig zerstört.“

Der Bunkerwart des Bunkers an der Lienbahnstraße, notiert am 11. Dezember, wie man auf der Seite des Bunkermuseums nachlesen kann: „Großangriff, bis jetzt wohl der schwerste, viele Spreng- und Brandbomben. Schwere Verwüstungen. Völlig zerstört: Große Kirche, Schwesternstation, Jungfernbrückstraße, Museum, Emder Bank …“

Nach dem Angriff liegt die Ruine der Große Kirche schutzlos da

Das gesamte Innere samt Rokoko-Kanzel, Wenthin-Orgel, das Gestühl, die Böhntjes, das Taufbecken sind dahin. Aber auch die Gipsabdrücke der Chorschranken sind in den Flammen vergangen. Die beweglichen Kunstschätze waren zuvor aus der riesigen Kirche entfernt worden: Gemälde, Totenschilde, ein gotische Leuchter, die drei mächtigen Leuchterkronen – und vor allem die Bibliothek der Großen Kirche, die seit 1559 gesammelt und in einem Raum über dem Konsistorium bewahrt wurde.

Die Bücher wurden ins Kloster Möllenbeck transportiert und dort zwischengelagert, hatten dabei aber wohl Schaden genommen, denn es ist von Schimmel die Rede, der viele Bücher befallen habe. Besonders bedauerlich sei der Verlust von 13 Porträtbildnissen, die die Vorsitzenden des Coetus, der Gemeinschaft aller reformierten Pastoren zeigten, sagt Dr. Klaas-Dieter Voß, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bibliothek und ein Kenner der lokalen Geschichte. Viele Bildnisse haben sich erhalten und waren bis zum Bau der Johannes a Lasco Bibliothek in der Neuen Kirche untergebracht. Sie kamen 1995 ebenso wieder an ihren Ursprungsort zurück wie die großen Leuchter, von denen bis dahin zwei in der Larrelter Kirche, einer in der Neuen Kirche hing. Aber die 13 Porträts sind bis heute nicht auffindbar.

Schon im Jahr zuvor – im Sommer 1942 – soll die Große Kirche bei einem Angriff getroffen worden sein. Dafür lässt sich in den Kriegstagebüchern, die zum Beispiel auf der Seite des Bunkermuseums veröffentlicht werden, allerdings nur ein Beleg finden. In einer Zusammenfassung der Bombenangriffe zwischen September 1939 und Juli 1942 findet sich in der Rubrik „zerstört, bzw beschädigt“ der Hinweis, dass auch die Große Kirche betroffen ist. Dabei soll das Enno-Grab soweit zerstört worden sein, dass ein Pastor der Gemeinde die Gebeine zusammentrug und auf dem Friedhof nebenan bestattete. Später wurden die Überreste in einen, von einem Emder Zimmermann hergestellten kleinen Sarg umgebettet und ins Mausoleum nach Aurich gebracht.

Aus den Flammen des 11. Dezembers 1943 wurde allein die Kanzelbibel gerettet, deren Zustand aber nicht der beste war. Sie war weder besonders prächtig noch kostbar, aber ein Zeichen für das beinahe Unmögliche.

Die Ruinen der Großen Kirche blieben jahrzehntelang unberührt und saugten sich dabei derart mit salzhaltigem Regenwasser voll, dass die Mauern auch heute noch, 28 Jahre nach der Errichtung der Johannes a Lasco Bibliothek, salzige Ausblühungen aufweisen. Erst zu Beginn der 90er Jahre war es wiederum ein reformierter Pastor, der nach einer ausführlichen archäologischen Untersuchung des Untergrundes den Wiederaufbau eines Teils der Großen Kirche organisierte. Dr. hc. Walter Schulz wurde dann Gründungsdirektor der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek Große Kirche Emden.