Mit Technik auf der Suche nach Adolf von Nassau

Emden. Die Ostfriesische Landschaft plant eine groß angelegte Untersuchung des Untergrundes im Innern der Johannes a Lasco Bibliothek. Grund dafür ist die Suche nach den Gebeinen des Dillenburger
Grafen und Freiheitskämpfers Adolf von Nassau (1540 bis 1568). Der junge Oranier, Bruder von
Wilhelm von Oranien (1533 bis 1584) – dem „Vater des Vaterlands“ – starb bei der ersten Schlacht
des 80-jährigen Krieges in Heiligerlee und soll in der ehemaligen Großen Kirche zu Emden bestattet worden sein.

Graf Adolf von Nassau, Gemälde des Wybrand de Geest, datiert um 1633/35, Rijksmuseum Amsterdam

Der Leiter des Archäologischen Instituts der Ostfriesischen Landschaft, Dr. Jan Kegler, will mit
geophysikalischen Methoden und zunächst ohne Eingriff in den Boden erhärten, ob die Nachricht,
dass die Leiche des Nassauers 1568 tatsächlich ins damals politisch neutrale Emden geschafft und
hier bestattet wurde, wahr ist.

Hintergrund der Suche sind vor allem Nachfragen von Niederländern, die die Bibliothek besuchen
und ihre Verwunderung darüber äußern, dass es kein Hinweisschild auf die Bestattung ihres
Freiheitshelden gibt. „So ein Hinweis kann durchaus erfolgen, aber er muss natürlich
wissenschaftlich abgesichert sein“, sagt der wissenschaftliche Vorstand der Bibliothek, Professor
Dr. Kestutis Daugirdas.

Jemand, der sich seit vielen Jahren mit der Frage der Bestattung des Adolf von Nassau beschäftigt,
ist der wissenschaftliche Mitarbeiter der Bibliothek, Dr. Klaas-Dieter Voß. Er hat verschiedentlich
über das Thema publiziert und ist in seinem bisher letzten Aufsatz „Waar is Graaf Adolf gebleven?“
nach Auswertung aller derzeit zur Verfügung stehender Quellen zu dem Schluss gekommen: Graf
Adolf ist in der Großen Kirche bestattet worden – und zwar im Durchgangsbereich zum Enno-Grab.

3900 Infanteristen und 200 Reiter der niederländischen Rebellen stießen bei der ersten Schlacht des Achtzigjährigen Krieges (1568 bis 1648) bei Heiligerlee auf 3200 Infanteristen und 20 Kavalleristen des spanischen Statthalters Johann de Ligne, Graf von Aremberg

Voß hat sich nicht allein mit den generell zur Verfügung stehenden Chroniken der damaligen Zeit
befasst, sondern hat auch Material aus dem Hausarchiv der königlichen Familie in Den Haag
eingesehen, um Klarheit zu gewinnen. Das, was er aus den Schriften herausgelesen hat, soll nun
mittels der Technik überprüft werden. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Frage, ob Adolf 1568
in einem Metallsarg bestattet wurde. Dieser Aspekt ist wichtig, weil die geplante
Untersuchungsmethode besonders – aber nicht nur – auf Metall reagiert.

Ob er aber wirklich in einem solchen Sarg bestattet wurde, ob man tatsächlich im Bereich der Abschlusswand fündig werde, selbst wenn Adolf dort bestattet wurde, sei nicht sicher. Es habe nämlich in der Vergangenheit in diesem Bereich viele Umwälzungen im Untergrund gegeben, schränkt Voß ein.

Wie aber kam Adolf ausgerechnet nach Emden? Voß hat den Ablauf jener Schlacht vom 23. Mai 1568 und die verschiedenen Theorien zum Verbleib des Leichnams akribisch nachvollziehen können. Adolf war als Anführer der Kavallerie eingesetzt. Die Freiheitskämpfer hatten die spanischen Truppen einschließen können, als Adolfs Pferd in Richtung der Feinde durchging. Er fiel vom Pferd und soll vom Grafen von Aremberg, Johan de Ligne, getötet worden sein. Um zu verhindern, dass sein Leichnam in feindliche Hände fiel, musste man ihn schnell in Sicherheit bringen. Aber wohin?

Im Detail zu sehen: die von links anreitende Kavallerie wird von Graf Adolf angeführt, der vom Pferd stürzt und auf dem Schlachtfeld stirbt
  • Eine Theorie besagt, dass der Graf zunächst im Kloster Mons Sinai in Heiligerlee aufgebahrt, nach
    Midwolda überführt und schließlich nach Emden gebracht wurde.
  • Eine andere geht davon aus, dass der Graf nach der Aufbahrung im Grenzort Wedde bestattet,
    später exhumiert und danach nach Emden gebracht wurde, um ihn dort in der Grablege der Cirksena
    beizusetzen, also in der Großen Kirche.
  • Eine dritte Möglichkeit der Bestattung ist folgende: Der Leichnam wurde nach Emden gebracht
    und anschließend nach Dillenburg überführt, wo er in der Familiengruft bestattet wurde. In
    Dillenburg, so hat Voß von dem dortigen ehemaligen Stadtarchivar, einem Kenner der Materie,
    erfahren, weiß man nichts von einer solchen Bestattung. In Dillenburg geht man ebenfalls davon
    aus, dass Adolfs Gebeine in Emden ruhen.
  • Die Chronik des Ommelander Edelmanns Johann Rengers ten Post sieht den Grafen mitsamt der
    weiteren 70, bei Heiligerlee gefallenen Freiheitskämpfer in Wedde bestattet.
  • Der Chronist Henricus Paulinus, der unmittelbar nach der Schlacht vor Ort war, lässt Graf Ludwig
    den völlig entstellten Leichnam des Bruders finden. Der habe Adolf in Wedde bestatten und ihn
    schließlich „in eine benachbarte Stadt des Deutschen Reiches“ bringen lassen.
  • Bei dem Chronisten Abel Eppens tho Equart, der nach 1580 als Glaubensflüchtling in Emden war,
    ist schließlich jener Satz zu finden, der die Wahrscheinlichkeit, dass Adolf nicht nur in der Großen
    Kirche bestattet wurde, sondern dort an ganz bestimmter Stelle ruht, zum Ausgangspunkt der jetzt
    geplanten Untersuchung macht: „tho embden begraven int portael van der heren graffenisse“.

    Um jedes Missverständnis auszuschließen, prüfte Voß nun alle möglichen Orte in der heutigen
    Bibliothek, die mit der Beschreibung bei Eppens gemeint sein könnten, kam aber immer wieder zu
    demselben Ergebnis. „Mit dem Portal der Herrengruft ist die Abschlusswand derselben gemeint,
    die 1558 im Stil des niederländischen Manierismus vollendet wurde.“ Ein Grab „int portael“ müsste
    sich demnach im Durchgangsbereich dieser Abschlusswand befunden haben.
Die Eingangspforte zum Bereich der Cirksena-Gruft. Der Chronist Abel Eppens verortet die Bestattung Adolfs an dieser Stelle.
Bild: Wolfgang Mauersberger

Das Gruftbuch der Großen Kirche aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts gibt keinen Hinweis auf die
Bestattung des Grafen. Seine Name wird nicht genannt. Statt dessen ist an der Stelle im
Durchgangsbereich ein Grab ausgewiesen, das dem Groninger Evert Janssen gehörte, der es von
seiner Mutter erbte. Voß vermutet, dass Evert Janssen ein in Emden lebender Exulant war, der die
Grablege zur Verfügung stellte, um eine anonyme Bestattung Adolfs zu ermöglichen und ihn so
dem Zugriff seiner Feinde zu entziehen.

Ob sich nun tatsächlich eine Bestattung nachweisen lässt, muss den geplanten Untersuchungen
vorbehalten bleiben. Derzeit laufen Anträge, um die Finanzierung des archäologischen Projektes
möglich zu machen, sagt Jan Kegler. Er ist zuversichtlich, genügend Förderer zu finden.

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