Im Sog der Stimmen

Norden. Sollte man glauben, dass die Nacht so schreckenvoll und so friedlich, so geifernd und zugleich so still, so todesgesättigt und derart schmeichelnd ist? Das Calmus Ensemble Leipzig zeigte, dass das alles funktioniert und nur mit Hilfe der menschlichen Stimme zu einem Fest des musikalischen Ausdrucks werden kann.

Bei der Saison-Eröffnung der Bürgerstiftung Norden am Sonnabend (13. Januar) stellte sich das Quintett im Theater der Stadt ein. Denn die Norder sind geradezu versessen auf a Capella-Gesang – und waren bei Calmus damit genau an der richtigen Stelle. Die fünf Sänger setzten feinste Nuancen ein, sangen mit schönster Anmut, erzeugten einen wahrhaften Sternenklang, getreu der alten Vorstellung, dass die Planeten in ihren Bahnen je höchst eigene Töne erzeugen.

„Durch die Nacht“ war das Programm von „Calmus“ schlicht übertitelt, doch was die beiden Sängerinnen und drei Sänger da – scheinbar ganz mühelos – vorstellten, war Hochleistungssport auf musikalisch. Im Ausdruck ruhig, diszipliniert, mit delikaten Modulationen, raumbezogen, elegant in der Präsentation – das war schon Sonderklasse.

Das Programm bestand aus Balladen, Songs, speziell für das Ensemble komponierten Stücken – immer waren die Arrangements an die Vorstellungen des anspruchsvollen Ensembles angepasst, sie wirkten modern, vielschichtig und eben deshalb so attraktiv. Bei der Goethe-Ballade „Es war ein König in Thule“ oder dem Volkslied vom „Heideröslein“ wurde das besonders deutlich. Aber schon der Konzertbeginn mit einer „Abendharmonie“ von Harald Banter ließ aufhorchen durch die präzise Stimmführung, die in hauchfeinen Dissonanzen das komplexe musikalische Gebilde veredelte.

Wunderschön auch das yiddische „Lied vom Goldenen Land“ oder Stings „Moon over Bourbon Street“ oder „The Moon is shining“ oder, oder … Es gab keine Möglichkeit, sich dem Sog dieser Stimmen zu entziehen.

Höhepunkt des Konzertes ganz ohne Zweifel – die „Walpurgisnacht“ von Harald Banter, in der die Sänger mit lautmalerischem Girren, Gurren, Gackern, Geifern die Schrecken der Nacht beschworen und Hexen, Feen und Geisterwesen sich zu einem wahren Hexensabbat zusammenfanden. Einfach großartig war nicht nur die Komposition, sondern vor allem die perfekte Umsetzung.

Das Calmus Ensemble war zum dritten Mal in Norden zu Gast. Dieser dritte Besuch sollte nicht der letzte gewesen sein.
Die Besetzung: Elisabeth Mücksch (Sopran), Maria Kalmbach (Alt), Friedrich Bracks (Tenor), Jonathan Saretz (Bariton), Michael B. Gernert (Bass)