Wie entstand die friesische Häuptlingsherrschaft?

Emden. Auf den Spuren der friesischen Häuptlingsherrschaft sind Dr. Stefan Krabath und Thorsten Becker vom Niedersächsischen Institut für historische Küstenforschung (NihK). Sie referierten am Dienstag (16. April) im Rummel des Rathauses am Delft vor Mitgliedern von 1820dieKUNST, die auch Veranstalterin war, über die Burgen und Häuptlinge der friesischen Halbinsel. Die exakte Zielsetzung des Projektes sei es, nachzuforschen, wie die friesische Häuptlingsherrschaft entstand, sagte Stefan Krabath. Das erfolgte nach einem interdisziplinären Ansatz, der die Steinhäuser in den Blick nimmt, archäologischen Befunden nachgeht, historische Schriftquellen einbezieht und digitale Landschaftsprofile nutzt, die Erhebungen im Boden sichtbar machen.

Bot einen anregenden Einstieg ins Thema: Dr. Stefan Krabath. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Hintergrund: Im 14. Jahrhundert scheren bestimmte Familien aus dem genossenschaftlichen Verbund der „freien Friesen“ aus und bauen sich Steinhäuser als „Manifestationen ihrer Macht“. 420 dieser Häuser soll es gegeben haben, rechnete Krabath vor. 46 von ihnen sind heute noch nachweisbar. Zudem wurde eine sogenannte Häuptlingsdatenbank erstellt, die 647 historisch fassbare Individuen des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit umfasst und zu rund 4000 verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Familien führt.

Den Reichtum dieser Familien drückte sich aus in reichen Schmuckfunden, die heute im Ostfriesischen Landesmuseum zu sehen sind, durch die Nutzung von steinernen Sarkophagen, die teuer waren und zudem importiert werden mussten. Auch das berühmte, weil einzigartige Tympanon von Larrelt aus dem 12. Jahrhundert dokumentiere dieses wachsende Selbstbewusstsein von Menschen, die aus der Menge hervorstachen und sich in besonderer Weise kenntlich machten. Beim Tympanon sind sogar die Namen dieser Personen dokumentiert: Ippo und Menulf.

Verteilung von 420 Steinhäusern im Nordwesten. Grafik: Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Thorsten Becker

Bauplätze, um Steinhäuser zu bauen, gab es allein in der Marsch und auf Geestzungen. Dazwischen breiteten sich enorme Moorflächen aus, die sich nicht für eine Nutzung zum Bau von befestigten Gebäuden eigneten, erklärte Krabath. Der Bau dieser Festungen erfolgt vom mittelalterlichen Burgtyp der hölzernen Motte über das solitäre Steinhaus bis zu einer größeren Anzahl von Gebäuden um das Steinhaus herum sowie einem Befestigungswall und Wassergraben. Der Stein als Baumaterial war teuer, sodass sich die führenden Familien allein schon durch diese Form repräsentativer Architektur von den anderen absetzten.

Gestaltete den zweiten Teil des Abends: Thorsten Becker

Dabei sind zwischen dem westlichen Bereich Ostfriesland und dem östlichen Teil der Halbinsel deutliche Unterschiede zu vermerken, erläuterte Thorsten Becker. Während im Emsigerland die größten Wurten mit einer Grundfläche von 10 bis 14 Hektar mit jeweils bis zu einem Kilometer Abstand voneinander errichtet wurden, fielen diese im Wangerland deutlich kleiner aus und waren auch näher aneinander gerückt. Warum aber liegen die Burgen nicht innerhalb der Orte? Auch dafür hatte Becker eine schlüssige Erklärung. Weil die Häuptlinge mit den Befestigungen zugleich ihren Grundbesitz schützten – und der lag vor allem außerhalb der enger Siedlungen.

Gut besucht war die Vortragsveranstaltung im Rummel. Im Bild: Dr. Stefan Krabath, Thorsten Becker und KUNST-Vorsitzender Gregor Strelow

Zu den gesellschaftlichen Veränderungen, so Becker, trugen auch Krisen wie die Pest, Sturmfluten und die damit verbundenen Überflutungen, die Vitalienbrüder oder auch Fehden bei, so dass sich die politischen Gegebenheiten massiv veränderten.