Groothusens Wenthin-Orgel kann auch Oper

Groothusen. Das war eine Freude! Der Italiener Matteo Imbruno, Organist in Amsterdam und Gestalter des zweiten Abends des Krummhörner Orgelfrühlings, spielte an der Wenthin-Orgel in Groothusen ein Konzert, dass der „Weißen Königin“ selber so recht zu gefallen schien. Sie machte Eindruck und ließ sich auf die Musik, die der Organist ausgewählt hatte ein – und was war das für Musik!

Gut besucht: die Kirche zu Groothusen am zweiten Tag des Krummhörner Orgelfühlings. Den Kirchsaal dominiert neben der Wenthin-Orgel die Bronzetaufe von 1454 des Meisters Ghert Klinghe.
Bilder: Wolfgang Mauersberger

Es begann mit einem Werk des Verdi-Lehrers Ferdinando Provesi, das derart opernhaft war, dass man sich bei Donizetti oder Rossini wähnte. Allessandro Marcellos „Concerto in d“, das exakt aus der Erbauungszeit der Orgel (1798 / 1801) stammt, gestaltete Imbruno herrlich frisch und unkompliziert. Auch das „Rondo“ von Gaetano Valery gehörte in die Entstehungszeit des Instrumentes – eine fröhliche Flötenmusik – ganz fein, ganz bezaubernd, ganz beschwingt gespielt.

So sieht das aus der Nähe aus: Matteo Imbruno spielt, Amke Postma blättert die Notenseiten um

Doch Imbruno, der erst vor wenigen Tagen in Venedig konzertierte, hatte in Groothusen noch anderes im Gepäck. Etwa ein Concerto in d von Allessandro Marcello, das seine Popularität wohl vor allem der Cembalo-Bearbeitung durch Johann Sebastian Bach verdankt. So stand es in ganzer Schönheit und Pracht da – und wurde abgelöst durch ein kleines Werk des in damaliger Zeit berühmten Pablo Bruna, der als „der „Blinde von Daroca“ im Spanien des 17. Jahrhunderts Ruhm erlangte.

Begrüßten die Gäste: die Pastoren Siek Postma und Barbara Wündisch-Konz

Natürlich durfte im Programm Johann Sebastian Bach nicht fehlen. Und sofort wird die Strenge der Form spürbar, die so typisch für das Bach’sche Weltbild ist. Denn sie rührt das Wesentliche des Menschseins an und lässt die Höhen und Tiefen der Existenz spürbar werden. So erklang „Wer nur den lieben Gott lässt walten“, aber vor allem die „Fuga sopra il Magnificat“ in feierlichem Ernst, gleichsam als ein musikalischer Essay.

Viele Noten: Matteo Imbruno am zweimanualigen Spieltisch der Wenthin-Orgel

Ganz zum Schluss wurde es pompös. Händels Oratorium „Judas Maccabaeus“ in einer Fassung für Orgel stellte die wunderbare Klangfülle der Wenthin-Orgel in schönster Weise vor und gab dem Abend einen großartigen Höhepunkt. Matteo Imbruno, dem das Spiel auf dem Instrument sichtbar Spaß bereitete und der die „Königin“ vollkommen im Griff hatte, präsentierte stilsicher ein Programm, das für die Hörer ein einziges, großes Vergnügen war. Als er als Zugabe dann auch noch die schwungvoll melodische Sinfonia von Provesi wiederholte, war sich das Plenum einig: Diesen großartigen Solisten würde man gerne – womöglich schon im nächsten Jahr – wieder hören.

Matteo Imbruno mit Siek Postma und seinem Fahrrad, mit dem er in der Krummhörn unterwegs war

Im Anschluss lud der Kirchenrat die Gäste zu einem kleinen Umtrunk in den Chorraum, wo das Bedürfnis nach Gesprächen gar kein Ende nehmen wollte, während der Solist aus dem hinteren Kirchenraum unterhalb der Orgel unvermutet ein elektrisches Fahrrad hervorholte, das er für seinen Aufenthalt in Ostfriesland nutzte. So vermischten sich die Eindrücke von hehren Klängen und schlichten Notwendigkeiten miteinander. Auch das gehört zum Orgelfrühling.