Neues zur Schlacht von Jemgum

Aurich. Das Emder Jahrbuch für 2024 enthält sechs Aufsätze, eine Miszelle, 14 Buchbesprechungen, die ostfriesische Fundchronik sowie Jahresberichte der Ostfriesischen Landschaft und der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer. Auf 300 Seiten breite das Periodikum ein Panorama über 400 Jahre Regionalgeschichte aus, erläuterte Dr. Michael Hermann, Leiter des Niedersächsischen Landesarchivs – Abteilung Aurich im Rahmen einer Pressekonferenz in Aurich. Hermann ist mit drei weiteren Wissenschaftlern Bearbeiter des Jahrbuchs.

Präsentierten das neue Emder Jahrbuch, das in diesem Jahr in die Farbe Grün gekleidet ist: Dr. Heiko Suhr (Landschaftsbibliothek), Dr. Matthias Stenger (Ostfriesische Landschaft), Gregor Strelow (1820dieKUNST), Dr. Klaas-Dieter Voß (Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung), Dr. Michael Hermann (Landesarchiv Niedersachsen – Abteilung Aurich) und Professor Dr. Kestutis Daugirdas (Johannes a Lasco Bibliothek). Bild: Sebastian Schatz (OL)

Im Zentrum des diesjährigen Bandes stehen drei große Beiträge zur Schlacht von Jemgum 1568, die – mit der Schlacht von Heiligerlee – den Beginn des 80-jährigen Krieges markiert. Die Aufsätze beruhen auf Vorträgen, die 2016 im Rahmen eines historischen Studientages in Jemgum gehalten wurden.

Dr. Bernd Kappelhoff benennt diese Phase als einen Zeitabschnitt, „in dem die Veränderung aller Lebensbereiche zum ersten Mal eine Dynamik und Dichte erreichte, ….., denen die überkommene Ordnung womöglich nicht mehr gewachsen sein könnte.“ Die Grafschaft Ostfriesland und speziell Emden sahen sich, so fasste es Michael Hermann auf der Pressekonferenz zusammen, eingebunden in drei große Entwicklungen: Reformation, außerordentliches Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum sowie die „notwendig gewordene Transformation der dynastisch geprägten Landesherrschaft in einen frühmodernen Staat“. Die Schlacht bei Jemgum habe dabei wie ein Katalysator gewirkt, durch den das Konfliktpotential dieser Problemkomplexe deutlich sichtbar wurde, so Kappelhoff.

► Zu einem überraschenden Ergebnis kommt der niederländische Historiker Dr. Oebele Vries. Mit dem Blick von außen, nämlich aus westfriesischer Sicht, erläutert er, in welcher Gefahr sich die Grafschaft Ostfriesland 1568 befand. Der spanische König und Herr der Niederlande, Philipp II., habe seinem Feldherrn Herzog Alba freie Hand gelassen, Emden anzugreifen und dem ostfriesischen Grafen abzunehmen, galt die Stadt doch als „Sammelplatz von Ketzern“.

► Aus archäologischer Sicht nähert sich Dr. Andreas Hüser der Schlacht von Jemgum. Er möchte anhand von Artefakten und Skelettfunden die Ereignisse auf dem Schlachtfeld beschreiben und dabei das persönliche Schicksal von Soldaten nicht aus dem Blick verlieren. Er verspricht sich diesbezüglich einiges von noch zu erwartenden Bodenfunden. Ihre Auswertung, so Hüser, werde „weitere Mosaiksteine zur Beschreibung der Schlachtereignisse erbringen und persönliche Schicksale der Opfer dieses Feldzuges den politischen Statements der Sieger und Verlierer entgegensetzen“.

► Mit dem Nationalsozialismus auf Langeoog beschäftigt sich Professor Dr. Jörg Echternkamp in seinem Beitrag „Insel der Volksgemeinschaft“, in dem er zeigt, wie stark die Ideologie – auf einer vermeintlich nicht vom NS-Regime berührten Insel – fassbar wird. Echternkamp wurde während eines Urlaubs mit dem Thema konfrontiert. Jetzt erscheint noch in diesem Jahr unter dem Titel „Langeoog – Biographie einer deutschen Insel“ ein zweibändiges Werk.

► Auch Kirsten Hoffmann vom Niedersächsischen Landesarchiv beschäftigt sich mit der NS-Geschichte. Es geht um Sterilisierungen innerhalb der nationalsozialistischen Erbgesundheitspolitik. Ein Ergebnis: Im Landkreis Wittmund seien besonders viele Sterilisationen durchgeführt worden, durchgeführt von einem besonders beflissenen Amtsarzt.

Aiko Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostfriesischen Landesmuseum, nimmt die umfangreiche Diskussion der 1970er Jahre um Abriss oder Erhalt des Pelzerhauses 12 auf. Auf 52 Seiten zeigt er das über zehn Jahre dauernde Hin und Her zwischen Denkmalpflege und Kommune. Er kommt zu dem ernüchternden Schluss: „Seit 1984 verbirgt sich hinter einem der ältesten Häuser innerhalb des Stadtwalls in Wirklichkeit ein funktional mangelhafter Neubau.“

► Ein Beitrag zur Geschichte des früh verstorbenen Malers Tjarko Meyer Cramer (1780 bis 1812) schließt den Aufsatzteil des Jahrbuchs ab. Dr. Klaas-Dieter Voß berichtet über eine Entdeckung in einem Bremer Antiquariat. Hier fand sich eine Sammlung von Dokumenten aus dem Besitz von Henricus Cramer, einem Bruder des Malers. Zu dem Konvolut gehört ein Brief von Tjarko an seinen Vater, in dem der Maler unter anderem über die Schwierigkeiten im Vorfeld eines geplanten vierjährigen Aufenthaltes in Rom berichtet. Insbesondere beklagt er Geldmangel, denn der von Emder Kaufleuten gewährte Unterhalt reiche zwar für seinen Aufenthalt in Dresden, wo Tjarko Meyer Cramer als Kopist arbeitete, nicht aber für das teure Rom.

► Das Emder Jahrbuch Band 104 (2024) ist in einer Auflage von 900 Stück erschienen, es umfasst 306 Seiten und ist für 30 Euro im Buchhandel oder direkt bei der Ostfriesischen Landschaft zu beziehen (ISSN 1434-4351).