Spaß am Dasein mit „Vagabund“

Emden. Sechs junge Leute verbreiten Stimmung. Schon beim ersten Stück „Dancing Turkey“ ist das Plenum in beste Laune versetzt. Beim dritten Konzert der „Gezeiten“ im Fährhaus der AG Ems am Borkum-Kai ging es am Mittwoch (22. Mai) um die „Vagabund Klezmerband“, ein munterer Trupp von Instrumentalisten, die nicht nur ihr musikalisches Metier bestens beherrschen, sondern auch strahlende Freude vermittelten.

Der rechte Ort: Blick aus dem Fährhaus hinaus auf das Wasser. Hinter der Glasfront spielten die sechs Musiker der Vagabund Klezmerband ihr neues Programm. Bilder: Karlheinz Krämer

Im Programm hatten sie stark rhythmische Musik, die den Volkstraditionen entstammt – und zwar nicht nur der jüdischen. Manche Beiträge muten orientalisch an, anderen gehören offenbar in den Balkan-Raum, aber auch etwas Rock und Pop scheint sich hinter dem enthusiastischen Musikgemenge zu vereinen, das beim Gezeitenkonzert das Oberthema „Heimat und Zuhause“ hinterfragte. Da gehörte ein „Lullaby“ ebenso dazu wie wilde Tänze, ein in Musik gefasstes Versteckspiel (Hide and Seek) oder eine improvisatorische Umformung des Wolf Biermann-Songs „Ermutigung“. Das war übrigens das politische Statement in kriegerischer Zeit.

Teilweise ist die Rhythmik geradezu haarsträubend. Sie ist gegenläufig, verändert sich ständig, wabert – angestiftet von den Percussions-Instrumenten – um die Töne von Bassklarinette, Klarinette, Gitarre, Geige und Kontrabass herum, macht sich angenehm, dann wieder spröde und vergeht vor Lebenslust in tanzartigen Strukturen, die vom volkstümlichen Bulgar bis zu Rumba und Walzer reichen, die lässig in ein Stück eingestreut werden.


Das Leben ist bunt, die Traditionen reich, die Musik vielschichtig – doch die Musiker kommen aus Lübeck, wo sie sich an der Musikhochschule kennengelernt haben. Sophie Kockler (Bassklarinette) übernimmt an diesem Abend die Moderation. Doch sie lässt offen, in wie weit die „Vagabunden“ komplett improvisieren oder doch einer festen Partitur folgen oder beides fröhlich mischen. Doch eines ist offensichtlich. Das Sextett braucht keine Noten. Fast möchte man meinen, sie spielen intuitiv, wenn da nicht diese intensiven Blickkontakte wären, mit denen die Verständigung auch ohne Worte funktioniert.


Die Sympathie schwappt von der Bühne ungebremst ins Publikum, das mitklatscht und jubelt und ganz aus dem Häuschen gerät – angesichts dieses wahren Sturms an Emotionen. Das Ende: Die positiven Gefühle – erzeugt, übermittelt und erfühlt – sind angekommen. Der Beifall ist enorm. Und dann ist leider Schluss.

Eingangs hatte Hausherr Dr. Bernhard Brons die Gäste im Gezeitenland begrüßt und – mal so ganz nebenbei – für Borkum geworben. Das geschah allerdings als humorvolle Einlage und wurde auch so verstanden. Fazit: Die Besucher haben sich bestens von den sechs Musikern aus Lübeck unterhalten gefühlt. Die ernsten Worte zum aktuellen Weltgeschehen, die Landschaftsrat Bernd Bornemann formulierte, waren keineswegs vergessen. Aber was wäre das Leben ohne ein bisschen Spaß am Dasein?

► Die Vagabund-Klezmerband spielte in der Besetzung: Lina Gronemeyer (Klarinette), Johanna Bechtel (Violine), Sophie Kockler (Bassklarinette), Freddy Schlender (Gitarre), Hannes Pries (Percussion) und Timon Krämer (Kontrabass).