Die vielen Stimmungen des Meeres

Bargebur. Im Rahmen der Gezeitenkonzerte waren am Freitagabend Schauspielerin Barbara Auer und Pianistin Olena Kushpler zu Gast. In der ausverkauften Kirche zu Bargebur präsentierten die beiden ihr musikalisch-literarisches Programm „Übers Meer“.

Klein, aber mit großem Flair: die Kirche von Bargebur bei Norden. Bilder: Karlheinz Krämer

Das Meer habe die Menschen immer wieder zu verwegenen Leistungen herausgefordert, schreibt der Organisationsleiter des Festival Raoul-Philip Schmidt. Kühne Seefahrer hätten seinen Gefahren getrotzt oder seien ihnen erlegen – besonders in vergangenen Jahrhunderten, aber gar nicht selten auch heute noch. Für viele sei das Meer ein Sehnsuchtsort, heißt es in dem Schreiben von Schmidt. Auch Schriftsteller und Komponisten habe das Meer seit Jahrhunderten fasziniert und inspiriert.

Schmidt: „Dem trugen Barbara Auer und Olena Kushpler Rechnung und beleuchteten bei ihrem literarisch-musikalischen Abend sowohl die bedrohlich-erhabene wie die verführerisch-schöne Seite der großen, weiten See.“ Die Texte des türkischen Poeten Orhan Veli Kanık, von Erich Fried, Emily Dickinson, Ingeborg Bachmann und Paul Celan erzählten von der unstillbaren Sehnsucht nach der Ferne sowie von der sinnlich-erotischen, aber auch gewaltvollen, todbringenden Verschmelzung mit dem nassen Element.

Das Catering findet im Garten der Kirche statt

„Rose Ausländer verfing sich im Gefühl der Einsamkeit und Fremde auf einer abgelegenen Insel, während Charles Baudelaire seine Existenz als unverstandener Dichter mit der eines von Matrosen gefangenen Seevogels verglich.“ In die allumfassende Sphäre des Göttlichen habe sich das Meer bei Else Lasker-Schüler ergossen, wohingegen Joachim Ringelnatz das Himmelreich im Kleinen entdeckte, als er Kindern beim Spielen mit Sand auf die Finger schaute.

Sinnfällig verknüpfte Pianistin Olena Kushpler die rezitierten Gedichte und kurzen Prosatexte mit sorgsam ausgewählten Musikstücken, die die literarisch dargebotenen Stimmungen und Bedeutungsfelder aufgriffen, intensivierten oder kontextuell erweiterten. Neben bekannteren Werken von Claude Debussy, Maurice Ravel und Erik Satie bereicherten viele Komponisten das Programm, die im Fahrwasser des französischen Impressionismus ihren eigenen Weg gefunden haben.

Begleitete die Lesung am Klavier: Pianistin Olena Kushpler

So kostete die frühe Impressionistin Mélanie Bonis das tragische Schicksal der „Mélisande“ mit schillernden Klängen aus, verströmte der „englische Debussy“ Cyril Scott mit seinem größten Hit „Lotus Land“ orientalische Sinnlichkeit, während Tōru Takemitsus „Litany“ sensibel mit japanischen Skalen und Harmonien hantierte.

Einem Geheimnis auf der Spur war nicht nur Federico Mompous „Secreto“, denn das gesamte Programm umwehte der Zauber des Unergründlichen. Schmidt: „Kushplers sensible und farbenreiche Klavierkunst floss auf wunderbare Weise mit Auers wunderbar erzählten kleinen Geschichten ineinander, regte zum Träumen und Nachdenken an – so wie das Meer mit seinen traumgleichen, bewegten Spiegelungen. Ein eindrucksvoller Abend im wundervollen Ambiente der bezaubernd-intimen Bargeburer Kirche, der das Publikum verzückte.“