Ein wahrhaft herrlicher Abend!

Come again! sweet love doth now invite
Thy graces that refrain
To do me due delight,
To see, to hear, to touch, to kiss, to die,
With thee again in sweetest sympathy.


Norden. Als Sting 2006 mit rauchig-spröder Stimme den Renaissance-Hit „Come again“ von John Dowland sang, da entstand eine private Leidenschaft für die englische Musik des 16. Jahrhunderts. Und als Amarcord eben diesen Song als vorletztes Stück des Programms in der Norder Ludgerikirche in wunderbarer Weise interpretierte, da war es ein strahlender Moment, denn das Quintett „zerlegte“ den Song, verteilte ihn in differenzierter Weise auf die fünf Männerstimmen. Die stets gelobte Homogenität im Gesangsstil von Amarcord wurde bei diesem Beitrag höchst sinnfällig.

Neun Musiker schafften einen Raumklang von besonderer Güte. Bilder: Karlheinz Krämer

Amarcord trat bei diesem achten Konzert der Gezeiten in der Ludgerikirche Norden mit dem Klenke-Quartett auf. Das besondere: Renaissancemusik wurde von den beiden Ensembles mit Musik der englischen Romantik und modernen Klängen amerikanischer Komponisten kombiniert. Und, siehe da, das alles passte nicht nur ganz ausgezeichnet zueinander, sondern befruchtete sich gegenseitig – etwa, wenn Kompositionen unterschiedlicher Zeiten so eng miteinander verknüpft wurden, dass sie förmlich miteinander verschmolzen. So geschehen zum Beispiel bei John Dowlands „Lacrimae“ und „Bodybuilding“ von Philip Glass.


Unter den drei kerzenbestückten Leuchtern unterhalb der Arp-Schnitger-Orgel breiteten die fünf Sänger von Amarcord und die vier Instrumentalistinnen des Klenke-Quartetts eine Fülle fein ausgearbeiteter Musik aus, die die ästhetischen Vorstellungen hochschraubte, diese Ansprüche aber auch erfüllte, und die zudem unter dem Titel „Das Land mit Musik“ einem Vorurteil des frühen 20. Jahrhunderts widerspricht, das da lautete: „Die Engländer sind das einzige Kulturvolk ohne eigene Musik.“ Die Friesen kennen das, sagte man ihnen doch seit der Antike nach, dass „Frisia non cantat“ (Friesland singt nicht). Was natürlich ebensolcher Unsinn ist, wie die angebliche Musiklosigkeit der Engländer. Der Abend in der Norder Ludgerikirche legte vor 310 Zuhörern ein sprechendes Zeugnis ab, auch wenn einige nichtenglische Komponisten das Programm anreicherten.


Die beiden Ensembles sorgten durch unterschiedliche Besetzungen für Abwechslung und vielgestaltige Hörgenüsse. Ob nun Tenor Wolfram Lattke von den Klenke-Damen begleitet wurde, die Instrumentalistinnen alleine spielten, die Sänger sich mit den Streicherstimmen vereinigten – immer war da eine ganz feine Balance, die bei jedem Beitrag wunderbar neu austariert wurde. Ein wahrhaft herrlicher Abend – mit Dowland, Byrd, Britten, Holst, Glass, Shaw und anderen.

In der Pause gab es im Garten hinter der Ludgeri-Kirche Verpflegung vom Tammenshof Bunderhee

Die Ensembles traten in folgender Besetzung an:
Klenke-Quartett: Annegret Klenke und Beate Hartmann (Violinen), Yvonne Uhlemann (Viola), Ruth Kaltenhäuser (Violoncello).
Amarcord: Wolfram Lattke und Robert Pohlers (Tenor), Frank Ozimek (Bariton), Daniel Knauft und Holger Krause (Bariton)

► Es gab aber auch noch ein unerwartetes musikalisches Beiprogramm: Die Konzertbesucher wurden von Heinz-Wilhelm Schnieders mit schöner Musik von seiner Drehorgel begrüßt. Und dann wehte in der Pause Bläsermusik herüber: Die Katholiken feierten Fronleichnam mit einer Prozession, in der an die Gegenwart Christi im geweihten Brot und im Wein erinnert wird. Dabei wurde die Hostie in einer Monstranz unter einem Baldachin durch die Straßen getragen.