Ein polnischer Abend mit erlesener Musik
Wittmund. Bereits zum fünften Mal war die renommierte Geigerin Viviane Hagner mit Musikern ihres Festivals „Krzyżowa-Music“ nach Ostfriesland gekommen, um dem Publikum der Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft erlesenste Kammermusik darzubieten. Das stellt der organisatorische Festivalleiter Raoul-Philip Schmidt in einer Pressemitteilung fest. Ihre Konzerte erinnern an den im schlesischen Krzyżowa gegründeten „Kreisauer Kreis“, der noch während des zweiten Weltkriegs Pläne für ein friedvolles Europa schmiedete. Diese wurden zwar nie umgesetzt, „doch gerade in Zeiten erneuter Kriege vor unserer Haustür gewinnen solche historischen Bemühungen um den Frieden wieder an Bedeutung und verdeutlichen das diesjährige Gezeiten-Festivalmotto – Miteinander!“
Gemeinsam mit Nathan Meltzer (Violine), Piotr Szumiel (Viola), Alexey Stadler (Violoncello) und Adam Golka (Klavier) präsentierte Viviane Hagner im 12. Gezeitenkonzert in der Nicolaikirche Wittmund ein rein polnisches Programm.
Zu Beginn erklang in einer Interpretation von Alexey Stadler und Adam Golka die Cellosonate in g-Moll op. 65 von Frédéric Chopin. Dieser ist zwar als Klavierkomponist weltberühmt und häufig auf Konzertprogrammen zu erleben. Jedoch schrieb er kaum Kammermusik, so dass diese Sonate, die gleichzeitig das letzte Werk war, das Chopin in seinem Leben öffentlich spielte, „eine absolute Sonderstellung in dessen Schaffen einnimmt und nur äußerst selten zu hören ist“, merkt Schmidt an.
Es folgte das Streichquartett Nr. 3 op. 67 des im Jahr 2020 verstorbenen Krzysztof Penderecki, dem bekanntesten polnischen Komponisten nach dem zweiten Weltkrieg. Sein 2008 entstandenes Quartett trägt den Titel „Blätter eines ungeschriebenen Tagebuchs“ und wurde von Hagner, Meltzer, Szumiel und Stadler mit „berührender Intensität“ vorgetragen.
Die wohl größte musikalische Entdeckung des Abends war dann das abschließende Klavierquintett g-Moll op. 34 des in der heutigen Ukraine geborenen Juliusz Zarębski. Dieser heute so gut wie vergessene, aber hoch talentierte Pianist und Komponist war Professor für Klavier am Konservatorium Brüssel und starb mit nur 31 Jahren an Tuberkulose. Das Quintett entstand 1885, im Jahr seines Todes, und ist sein letztes Werk. Gewidmet ist es Franz Liszt, dessen Schüler Zarębski war und der ihn ebenso wie Chopin sehr beeinflusste. „Die meisterhafte Interpretation dieses vielschichten und bewegenden, hörbar von Brahms und Liszt beeinflussten, rund vierzigminütigen Werks begeisterte die Konzertbesucher, die die Musiker mit minutenlangen stehenden Ovationen verabschiedeten.“