Kalender als Ausdruck „zweier Heimaten“

Aurich. Der Ostfriesische Kunstkalender für 2022 widmet sich dem Norder Künstler Ricardo Fuhrmann. Am Mittwoch wurde der gemeinsam von der Ostfriesischen Landschaft und der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse herausgegebene Kalender offiziell in Aurich vorgestellt. Er ist ab sofort für 18,95 Euro im Handel erhältlich.

Ein besonderer Kalender mit Arbeiten von Ricardo Fuhrmann: Dr. Annette Kanzenbach zeigt den Monat November, Dr. Matthias Stenger den August und Thomas Weiss den Mai., Rico Mecklenburg hält ein Bild des derzeit ortsabwesenden Künstlers in die Kamera. Bild: Wagner

Der Kunstkalender, der in jedem Jahr das Schaffen eines hiesigen Künstlers oder einer Künstlerin ausschnitthaft vorstellt, wird seit mehr als 50 Jahren herausgegeben. Dass der gebürtige Argentinier, der seit fast 30 Jahren in Norden ein Atelier unterhält, erst jetzt ausgewählt wurde, den Kalender zu gestalten, habe die vierköpfige Jury auch verwundert, erklärte Dr. Annette Kanzenbach. Die Kunsthistorikerin würdigte Ricardo Fuhrmann als einen Künstler, der sich mit vielen Malern der Moderne auseinandergesetzt habe und daraus seinen eigenen Weg abgeleitet habe. „Fuhrmann hat seine eigene Sprache gefunden und ist damit unverwechselbar.“

Die ausgewählten Motive zeugten von Leichtigkeit und Freude, kommentierte Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger, der bekannte, er sei von Persönlichkeit und Schaffen des Künstlers beeindruckt. Mit Blick auf die Zuweisungen der Bilder zu den Monaten habe man den Assoziationsspielraum ausgeschöpft. So wurde für den Mai eine von Fuhrmanns typischen „Ostfriesland-Karten“ ausgewählt. Die Assoziation war der Oll‘ Mai, der ja ganz Ostfriesland umfasse. Eine Strand-Szene steht für den August, ein Gemälde aus zwölf Mini-Bildern, das wie ein Ausschnitt aus einem Adventskalender wirke, für Dezember. Thomas Weiss, Vorstandsvorsitzender der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse, schwärmte: „Ich bin total fasziniert und begeistert von dem Kalender“.

Landschaftspräsident Rico Mecklenburg, studierter Historiker, hatte sich mit der Biographie der Familie Fuhrmann beschäftigt und unter anderem im Emder Stadtarchiv eine Meldekarte gefunden, die selber Ricardo Fuhrmann noch nicht bekannt war. Der Großvater Ricardo Fuhrmanns, Robert, stammte gebürtig aus Litauen.1927 war er mit seiner Frau Amalie und den Kindern in Emden in der Eggenastraße 13 gemeldet. 1930 wurde er eingebürgert, fünf Jahre später erfolgte der Widerruf. Damit war die Familie Fuhrmann staatenlos. Drei Jahre später floh die Familie vor dem Nazi-Terror nach Argentinien, wo Robert Fuhrmann auch beruflich Fuß fassen konnte.

Ricardo Fuhrmann wurde 1959 in Buenos Aires geboren. Er kam 1993 auf Einladung der Stadt nach Emden, um ein künstlerisches Projekt umzusetzen. Im selben Jahr entschied er, in Ostfriesland zu bleiben und richtete sich in Norden ein Atelier ein.

Heute bezeichnet er Ostfriesland als seine Wahlheimat, reist aber dennoch regelmäßig nach Buenos Aires. Die lange Geschichte des südamerikanischen Kontinents habe ihn geprägt, aber seine künstlerische Ausbildung sei europäisch. Der Kalender bezeuge nun ein schönes Gleichgewicht zwischen „meinen beiden Heimaten“. Für ihn sei es Ehre und Freude zugleich, für die Gestaltung des Kunstkalenders ausgewählt worden zu sein, erklärte Fuhrmann, der bei einem Besuch in Buenos Aires von der Pandemie überrascht wurde. Bisher gab es für ihn keine Gelegenheit, einen Flug nach Europa zu buchen. Deshalb war er bei der Vorstellung des Kalenders per Video zugeschaltet.