Ein Verbrechen wird verwaltet

Emden. Mit viel Programm ist das Ostfriesische Landesmuseum wiedereröffnet worden. Die Musische Akademie spielte. Für die Kinder gab es allerlei Belustigungen. Erleichterung herrschte bei den Mitarbeitern, dass das Haus wieder zugänglich ist. Indes hielt sich der Andrang in überschaubaren Grenzen. Rund 100 Personen kamen ins Haus und ließen sich vor allem durch die Ausstellung „Komplizenschaft“ führen.

Hier zeigen die Kuratoren Georg Kö und Tobias Rentsch wie die Beschlagnahme jüdischen Eigentums zum nüchternen Verwaltungsakt wurde. Und so steht denn auch eine Hängeregistratur am Anfang der Ausstellung. Die Aufschrift: „Judenakten, Schiffbauakten“. Der Ordner indes war leer, als Georg Kö ihn fand. Nun stellt er ihn einer Ausstellung vor, die er die Geschichte eines großen Verbrechens nennt.

In der Ausstellung „Komplizenschaft“: Kurator Georg Kö erläutert den Gästen Ausstellungsstück Nr. 1 Bilder: Wagner

Als Haupttäter hat Kö den damaligen Oberbürgermeister Carl Heinrich Renken und den Vorsitzenden der „Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer“, Johann Menso Folkerts, ausgemacht. Als Komplizen benennt er den Landrat und Landschaftspräsidenten Hermann Conring und Otto Rink, der unter anderem als Geschäftsführer der „Kunst“ und Leiter des Ostfriesischen Landesmuseums eine Rolle spielte.

Kö fand unter anderem eine Telefonnotiz vom 10. Dezember 1941, in der der OB und Folkerts besprechen, wie man an das Eigentum der Juden gelangen kann. So mussten die Betreffenden ihren Besitz auf einem vierseitigen Formular notieren. Die Begründung war perfide. Man wolle verhindern, dass Kulturgut verschwinden würde.

Viele Objekte sind es nicht mehr, die aus jüdischen Besitz stammen sollen. Und wenn es sie gibt, so entstammen sie dem Alltag bürgerlicher Familien.

Zu einer silbernen Sauciere aber gibt es tatsächlich eine Geschichte. Die war nämlich mit einer Gravur versehen, die auf die Familie Walter Philipson verwies, die in der Brückstraße wohnte. Das Objekt war im Besitz einer Berlinerin, die aufgrund eigener Recherchen darauf kam, dass das Silberstück nach Emden gehörte. Sie stieß im Internet unter anderem auf den Stolperstein für Walter Philipson. Jetzt steht die Sauciere in einer Vitrine in der Ausstellung.

Die Installation im „Schaufenster“ soll Interesse bei den Passanten wecken.

Um auf diese, aber auch auf künftige Ausstellungen aufmerksam zu machen, haben die Kuratoren eine Ecke des Foyers des Ostfriesischen Landesmuseums als „Schaufenster“ gestaltet. Mit Blick auf die „Komplizenschaft“ steht da jetzt ein kleiner Sekretärinnen-Schreibtisch mit passendem Stuhl, eine Garderobe, eine Schreibmaschine und es sind originalen Aktenstücke zu sehen. So kann man sich vorstellen, wie es ausgesehen haben mag, als der Schrecken auf die Verwaltungsebene gerückt wurde. Kleine Veränderungen innerhalb der Installation sollen die Aufmerksamkeit wach halten und zum mehrmaligen Besuch der Ausstellung animieren.

► Die Ausstellung in der Neuen Galerie wird am 15. September eröffnet. Dann feiert die „Stiftung für bildende Kunst und Kultur in der deutsch-niederländischen Ems-Dollart-Region“, aus deren Bildbestand sich die Ausstellungen in der Neuen Galerie speisen, den zehnten Geburtstag.