Sympathisch umfangen

Emden. Die Zeiten sind bedrückend und bedrohlich, doch am Freitag lösten sich Zweifel und Unbehagen für gut zwei Stunden auf. Ein kleines Ensemble, besetzt mit Musikern aus zwei Prager Orchestern, war „schuld“ daran, dass sich das Publikum im Mittelschiff der Johannes a Lasco Bibliothek sympathisch umfangen fühlte. Das Programm bot Bewährtes. Aber dieser angenehme Moment des Wiedererkennens trug eben dazu bei, dass der Abend so harmonisch verlief. Daran hatte auch Dirigent Gudni Emilsson seinen Anteil. Mit Charisma, einem freundlichen Umgang mit dem Orchester und seinem unmittelbaren Dirigat ohne Taktstock sorgte er für beste Stimmung.

Höhepunkte gab es zwei. Da war zum einen das 1. Cello-Konzert von Joseph Haydn, bei dem Tomáš Strasil (Bild auf der Startseite) mit seinem historischen, intensiv dunkel tönenden Instrument wundervolle Klangmomente schuf. Die charmante Komposition im strahlenden C-Dur ist eben unvergänglich, und so konnte Strasil mit großer Fingerfertigkeit die lebhafte Musik bestens in Szene zu setzen. Wie zu Haydns Zeiten kam der Solist aus dem Orchester. Dieses hatte allerdings keine Blasinstrumente mitgebracht, so dass der markante Effekt der vom Komponisten geplanten Einsätze von Hörnern und Oboen fehlte. Das störte allerdings keineswegs den galanten Gesamteindruck der schönen Musik.

Den Abschluss gestaltete das Orchester mit Antonin Dvořáks Streicherserenade, einem frühen Werk von eingängiger Melodik, die immer wieder folkloristische Einblicke in die böhmische Heimat Dvořáks gewährt. Das namenlose Kammerorchester aus Prag nahm sich des strahlenden Werkes seines Landsmannes mit vitaler Zuneigung an und brachte damit ein Konzert zum Abschluss, das vier große Komponisten mit schmeichelhaften Beiträgen vereinte. Denn auch das Mozart Divertimento KV 137 ist von seinem elegischen Beginn an – mit einem Andante als erstem Satz! – eine reizvolle Komposition voller Leichtigkeit und melodischer Süße.

Einzig Felix Mendelssohn-Bartholdys „Streichersinfonie Nr. 10“, das Werk eines 12-Jährigen, setzt mit einem melancholischen Adagio ein, öffnet sich dann aber in den Folgesätzen und bot eine durchdachte Einstimmung in ein Programm, das das kleine Streichorchester mit wachsendem Vergnügen präsentierte. Denn es war nicht nur zu spüren, dass das Publikum Gefallen an Musikern und Musik fand, sondern es gab auch verbale Bekundungen, von denen das „schööön!“ mehrfach und ziemlich laut erklang und auch die insgesamt vier Zugaben umgriff.

Zum formvollendeten Gesamteindruck des Abends gehörten nicht nur die 72 brennenden Kerzen an den drei großen, goldblinkenden Leuchterkronen der Bibliothek, sondern auch der stilvolle Handkuss, mit dem sich der Solo-Cellist bei Kulturevents-Chefin Kerstin Rogge-Mönchmeyer für das Gastgeschenk bedankte. – Es gibt Momente, da kann es in einer aus dem Lot geratenen Welt noch sehr kultiviert zugehen.