„Da kann man immer noch was lernen“

Emden. Ein Strom von Menschen in der Innenstadt, überlaufene Führungen in den Museen, ein ständiges Kommen und Gehen auf den Museumsschiffen – und ein besonderer Erfolg für das Bunkermuseum – das war der Emder Museumstag 2022, der die Verantwortlichen voller Zufriedenheit und mit einem dicken Lob für die vielen Besucher zurückließ, die alle „unheimlich interessiert und außerordentlich freundlich“ gewesen seien.

Und was gab es nicht alles zu entdecken. So konnte man erfahren, was man mit einem lutherischen Kelchsieb macht, wie mit einfachen Mitteln ein UKW-Radio gefertigt werden kann, was es mit drei Schiffsglocken einer nicht mehr existierenden Reederei auf sich hat, warum ein Fahrradlenker für den Logger AE 7 Stadt Emden zum Problem wurde oder wie es kommt, dass das Bunkermuseum demnächst wohl eine neue Zusammenarbeit in die Wege leiten wird.

Viel Betrieb auch auf dem Stadtgarten, wo insgesamt 23 Stände aufgebaut waren

Schon vor 11 Uhr fanden sich die Gäste vor den neun Einrichtungen ein, die am 29. Emder Museumstag teilnahmen. Dabei hatte das Bunkermuseum, das derzeit wegen fehlender Brandschutzauflagen geschlossen ist, in seinem „Außenmuseum“ in der Großen Straße besondere Erlebnisse. Hier fanden sich im Laufe des Tages fünf Zeitzeugen der Kriegsjahre ein, die noch sehr lebhafte Erinnerungen mitteilen konnten. Fünf neue Mitglieder wurden aufgenommen. Ein Emder bot sich spontan an, mit der Sammelbüchse herumzugehen. „Wenn jeder Emder zehn Euro in diese Büchse stecken würde, könnten wir das Bunkermuseum problemlos wieder öffnen und benötigten keine Fördergelder“, gibt Vorsitzende Roswitha Franke zu bedenken. Und Wolfram Heidrich, 2. Vorsitzender, freute sich über Menschen mit Tatkraft. Der künftige Helfer mit der Sammelbüchse hatte aber noch ein weiteres Ass im Ärmel. Seine Tochter ist in einem Institut in Barcelona beschäftigt, das den Spanischen Bürgerkrieg aufarbeitet. Es bestehe Interesse an einer Kooperation, ließ der Mann wissen. Und diese Ansage stieß bei den Verantwortlichen des Bunkermuseums auf viel Interesse, zumal hier mittlerweile vier Historiker engagiert sind.

Stolz auf einen Neuzugang: Ernst Richter und Mannfred Uphoff mit der Schiffsglocke von „Erin Nübel“

Im Ostfriesischen Landesmuseum waren die Kurzführungen wieder der Renner, erklärte Museumsdirektorin Jasmin Alley. Sie seien derart nachgefragt worden,dass die Angebote völlig überlaufen waren. Mit der Resonanz sei man insgesamt „rundum zufrieden“. Besonders bemerkenswert sei die Nachfrage nach einer Ausstellung gewesen, die vor einer Woche abgebaut wurde – die „Barbie“-Show.

Auf dem Rettungskreuzer „Georg Breusing“ herrscht Hochbetrieb. Albrecht von Häfen, stellvertretender Vorsitzender des Förderkreises: „Wir können nur Positives über diesen Tag sagen.“ Neben dem Maschinenlauf, der für Dieselschwaden über dem Wasser sorgte, brach Tochterboot „Engelke“ viermal zu einer Tour durch den Binnenhafen auf. Nicht nur der spektakuläre Abgang begeisterte die Passanten, sondern auch das Wiederaufnehmen des Bootes sorgte für interessierte Besucher. „Das Beiboot ist prima in Schuss – dafür sorgen wir schon.“

Trotz der Jahre im Dienst noch höchst mobil: Tochterboot „Engelke“ des Seenotrettungskreuzers „Georg Breusing“

Auf dem Feuerschiff Amrumbank konnte Vorsitzender Heinz-Günther Buß viele Besucher von außerhalb begrüßen – sogar Österreicher und Bayern kamen an Bord. Rund ein Drittel der Gäste waren Kinder. Und von denen kamen besonders begeisterte Reaktionen, sagte Buß. Um die Gäste auch informativ mit den Besonderheiten eines Feuerschiffs bekannt zu machen, war die Crew verstärkt worden, so dass es keine Wartezeiten gab.

Auf dem Heringslogger AE 7 Stadt Emden begrüßte Holger Schwarzenburg als stellvertretender Vorsitzender die Gäste am Nachmittag. Die konnten an Bord Kaffee und Kuchen genießen, und so die Wartezeit bis zur nächsten Führung überbrücken. Der Logger war erst seit einer Woche von einem Werftaufenthalt zurückgekommen. Dieser war nötig geworden, weil sich unvermutet ein Leck im Schiffsboden aufgetan hatte. Schwarzenburg, der als Schreiner ehrenamtlich auf dem Holzlogger tätig ist, vermutet, dass möglicherweise der Lenker eines im Delft versenkten Fahrrades für die Havarie verantwortlich war. Deshalb plädiert er dafür, den Logger künftig an seinem Liegeplatz zu belassen und ihn nicht mehr – etwa für das Matjesfest oder den maritimen Weihnachtsmarkt zu verlegen. „Das Verholen ist für den alten Holzlogger ein echtes Problem. Das ist nicht gut fürs Schiff!“ mahnt er.

So baut man mit einfachen Mitteln ein Radio: Stephan-Gerhard Koziolek, Vorsitzender der Naturforschenden Gesellschaft, demonstriert einem Besucher, wie das funktioniert

Auf dem Stadtgarten sind die Handwerkswagen des Dorfmuseum Münkeboe zu finden. Da gibt es einen Kolonialwaren-Laden, der unter anderem „Huusbackt Kookjes, Büdel 2,50“ verkauft. In der Bäckerei sind auf engstem Raum drei Bäcker mit der Produktion von Rosinenstuten beschäftigt. Man kann sehen wie Blaudruck entsteht, wie gesponnen, ein Seil gedreht wird und wie Kumpen angefertigt werden. Auf dem hölzernen Anhänger sind auch zwei Schmiede bei der Arbeit und haben eine Esse angefeuert. Keine Angst, dass das Holz anfängt zu brennen? „Wir machen das seit 20 Jahren. Ist noch nie was passiert.“ wird der besorgte Passant beschieden. Produziert werden Schürhaken, die für eine Spende abgegeben werden. „Ist in diesen Zeiten sicher nicht verkehrt, einen Schürhaken parat zu haben“, unkt eine der beiden Schmiede mit Blick auf Kamine als Antwort auf hohe Gaspreise.

Rege Unterhaltung: Museumstag-Besucher im Gespräch mit Spinnerinnen des Dorfmuseums Münkeboe

Bei den „Freunden der Seefahrt“ ist im Teezimmer mächtig war los. Vorsitzender Mannfred Uphoff ist zufrieden mit dem Andrang und hat wenig Arbeit mit dem Publikum, denn hier versammeln sich zumeist Fachleute, die gerne in Ruhe stöbern und gucken wollen. Doch auf einen Neuzugang sind Uphoff und der zweite Vorsitzende Ernst Richter besonders stolz. Sie bekamen von einer Sponsorin vor vier Tagen die glänzende Schiffsglocke der „Erin Nübel“. Damit verfügt der Freundeskreis neben „Anni Nübel“ und „Berni Nübel“ nunmehr über die dritte Glocke eines Nübel-Schiffes der „Emder Dampferkompanie“, die bis 1968 aktiv war.

Zugehörigkeit: Holger Schwarzenburg mit dem Logo des Museumsloggers

Die Naturforschende Gesellschaft von 1814 präsentiert den Besuchern in ihren Räumen an der Grasstraße optische Täuschungen am laufenden Band, dazu physikalische und elektrische Experimente – wie ein mit einfachsten Mitteln hergestelltes UKW-Radio. Wer sich hier einfindet, der kommt gezielt und bringt Interesse für die Naturwissenschaften mit, meint Uda Kortkampf,die neben Stephan-Gerhard Koziolek und Caroline Schott die Gäste durch das Angebot leitet, das auch museale Exponate aus der Sammlung der Gesellschaft präsentierte.

In der Kunsthalle fand die Weinverkostung eine Resonanz, die sich den Tag über hält. Und so verlassen viele Besucher mit vollen Tüten das Museum, das am Wochenende kurz vor dem Ende der Ausstellung „Mythos Wald. Das Flüstern der Blätter“ stand. Dicke Trauben von Menschen vor und im Haus machten deutlich, dass auch hier das Angebot ankam. Und eine Auricherin hörte man anmerken: „Einen solchen Museumstag hat Aurich nicht. Den gibt es nur in Emden.“

In der Johannes a Lasco Bibliothek bildet sich schnell ein Stau vor dem begehbaren Tresor. Hier lagern wertvolle Bücher und kirchliches Silber, und der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Klaas-Dieter Voß hat jede Menge kurioser Geschichten parat. Etwa die vom Kelchsieb, das dazu diente, Schwebstoffe aus dem kostbaren Abendmahlswein zu entfernen. Wenn sich etwa eine Fliege im Wein ertränkt hätte, dann bestünde aus katholischer Sicht nur die Möglichkeit, die Fliege mit herunterzuschlucken, weil der Wein eben das Blut Christi sei, das auch die Fliege aufgenommen habe. Die Lutheraner hätten in so einem Fall das Sieb zum Filtern verwendet, während die Reformierten einfach einen anderen Becher genommen hätten. „Da kann man immer noch was lernen“, merkte eine Besucherin an – und bezog das wohl auf den gesamten Emder Museumstag.