Andacht über ein kunsthistorisches „Unikat“

Emden. Zum 15. Mal haben die Passionsandachten begonnen, die von den lutherischen Kirchengemeinden in Emden in Zusammenarbeit mit dem Ostfriesischen Landesmuseum ausgerichtet werden. Und wie immer war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. 100 Besucher wollten noch einmal durch eine erste Szene des insgesamt zehnteiligen Passionszyklus‘ von Hans II. Coninxloo (1565 bis 1620) geführt werden. Diese Bilderfolge stand bereits in der ersten Veranstaltungsreihe vor 15 Jahren im Mittelpunkt. Nun aber präsentiert er sich nach sorgsamer Restaurierung – die aus den Kollekten der vergangenen Passionsandachten gespeist wurde.

Volles Haus bei der ersten Passionsandacht im Rummel des Rathauses am Delft. Am Pult: Regionalbischof Dr. Detlef Klahr. Bild: Christoph Jebens

Am ersten Abend des 15. Durchgangs stand das letzte Abendmahl zur kunsthistorischen und theologischen Erklärung auf dem Programm. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums, Dr. Annette Kanzenbach, übernahm die kunst- und kulturhistorische Einordnung des Gemäldes, das – wie seine neun „Geschwister“ das biblische Geschehen nachvollzieht. Dabei nahm sich Coninxloo den Graphik-Zyklus des Hendrik Goltzius (1558 bis 1616) zum Vorbild, wie Annette Kanzenbach in einem Vorwort erläuterte. Regionalbischof Dr. Detlef Klahr besorgte anschließend die theologische Deutung des Abendmahls.

Gemalt wurde der Zyklus um das Jahr 1600 herum – im Auftrag der Katharina Wasa, Gemahlin des ostfriesischen Grafen Edzard II. Nach dem Tod ihres Mannes 1599 zog Katharina auf ihren Witwensitz Burg Berum, wo eine Kapelle gebaut wurde, die man 1604 weihte. „Es sind die einzigen Gemälde, die man von Hans II. Coninxsloo kennt“, sagte Annette Kanzenbach über die zehn „Unikate“. Der Zyklus sei 1764 an Privat verkauft worden. 1970 tauchte er im Kunsthandel wieder auf. Der damalige Stern-Chefredakteur und spätere Kunsthallenstifter Henri Nannen erwarb die Gemälde und schenkte sie der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer. Eine Restaurierung erfolgte ebenfalls 1970, die neuerliche Sanierung wurde bis 2021 abgeschlossen.

In ihrer Interpretation hob Annette Kanzenbach auf die zentrale Gestalt Christi ab – obwohl dieser gar nicht mittig ins Bild gesetzt worden sei. Die erzählerische Bildsprache sei offensichtlich – aber auch die Auftragsvergabe durch die Cirksena – über einer Tür erscheine in einer Kartusche das gräfliche Wappen. Detlef Klahr fasste seine Gedanken zum Thema des Abends „Gemeinschaft erfahren“ mit blick auf die Erfahrung des gemeinschaftlichen Essens zusammen. „Wo der Tisch gedeckt ist, erfahren wir Gemeinschaft.“ Er beendete seine Ausführungen mit dem Gedicht „Ein Winterabend“ von Georg Trakl, das 1913 entstand.

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.


Die musikalische Gestaltung der ersten von sechs Passionsandachten übernahm die Akkordeonistin Margarethe Huisinga, die unter anderem „The last waltz“ spielte, und der Detlef Klahr ein schwungvolles Spiel attestierte.

► Die nächste Passionsandacht findet am Mittwoch, dem 1. März, um 18.15 Uhr im Foyer des Landesmuseums statt. Detlef Klahr kündigte für diesen Termin „eine Überraschung“ an.

► Gesammelt wird im Rahmen der diesjährigen Andachten für die Restaurierung eines Christuskopfes des Emder Malers Tjarko Meyer Cramer, entstanden um 1803. Dieser Kopf gehöre zu den frühesten Schenkungen an die KUNST. Das Bild wurde 1820, also im Gründungsjahr der Gesellschaft, überreicht. Das Bild ist ein „Kriegsschaden“, doch die Risse lassen sich relativ einfach beheben, sagte Annette Kanzenbach.