Premiere unter erschwerten Bedingungen

Emden. Die Ländliche Akademie Krummhörn hat mit ihrem Theaterstück „Die Frauen von Schreyers Hoek“ am Mittwoch unter erschwerten Bedingungen Premiere gefeiert. Wegen des Wetters konnte nicht an der Delfttreppe gespielt werden, sondern nur am Ausweichort Martin-Luther-Kirche. Nun ist es ja etwas völlig anderes, vor einem realen Heringslogger zu spielen als nur vor einem großformatigen Plakat mit Logger. Auch der große Chor musste geteilt werden, für die Musikgruppe fand sich nur noch eine Ecke neben dem Altar, und die vielen Akteure konnten nur nacheinander den Raum vor dem Altar betreten.

Hier beginnt die Geschichte der Heringsfischerei in Emden: große Marktszene vor einem Bild des Heringsloggers

Worum geht es in dem Stück? Um die Geschichte der Heringsfischerei seit dem 16. Jahrhundert. Also ein Wirtschaftsthema. Umgesetzt wurde es szenisch, das heißt: bestimmte Punkte der Entwicklung bekamen eine theatrale Gestalt, alles andere wurde in Form eines Expertenteams von einer Moderatorin abgefragt. Und dieses statuarische Faktenabfragen war ein wirkliches Problem. Denn das war nicht gerade unterhaltsam. Man hatte diesen Talk zwar zwischen die gespielten Szenen eingeschoben, aber das machte es nicht besser. Hier prallten Spiel und Realität knallhart aufeinander, denn es bestand offenbar das Bedürfnis, dem Publikum möglichst viele Fakten mit auf den Weg zu geben.

Die Szenen lebten durch die Vielfalt der Kostüme. Zudem machten schon die Kopfbedeckungen den Wandel deutlich: Von den Hauben der alten Zeit bis zu den Hochfrisuren der 60er reichte das Spektrum. Die Szenen selbst verfolgten die Geschichte des Herings vom Verkauf kleiner Bestände auf dem Markt bis zur immer stärker organisierten und industrialisierten Fischerei. Am Schluss stand eine generelle Mahnung, das Meer und seine Bestände zu schützen. Das allerdings war ein erhobener Zeigefinger, der in die Struktur des Stückes nur bedingt hineinpasste.

Hier zeigt sich das Ende der Heringsfischerei in den 70er Jahren exemplarisch: die Bar „Alte Liebe“ macht bald dicht. Es lohnt sich für die Bardamen nicht mehr, auf Seeleute zu warten

Die Szenen handelten von der harten Arbeit an See, dem Tod auf See, dem Netzflicken, dem Salzen und Einlegen der Heringe, den Verführungen im Hafen, wobei die Kneipe „Alte Liebe“ eine nicht unwesentliche Rolle spielte. An entscheidender Stelle gab es eine Episode, in der demonstriert wurde, wie der Heringsfang in die Hände von Kaufleuten geriet und diese das maritime Handwerk in die Gewinnzone erhoben.

Nebenbei erfuhr man anhand kleiner Details Wissenswertes, zum Beispiel, dass es schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts eine klimatische Veränderung gab, die eine Verlagerung des Fischfangs von der Ost- in die Nordsee erzwang, weil das Wasser der Ostsee sich so erwärmt hatte, dass die Fische sich aus der Region absetzten.

Während man sich stilistisch also zwischen theatralen Momenten und Sachinformationen befand, tauchte mit einem Mal Berend de Vries‘ dramatisches Gedicht „Dat Geesterschipp van Emden“ auf, in dem ein Ostindienfahrer nicht in den Hafen eingelassen wird und in der Ems versinkt, weil Boomsluter Voss einen so unstillbaren Hass auf den Kommandanten des Schiffes in seinem Herzen bewegt, dass er lieber den eigenen Sohn ertrinken lässt als nachzugeben – Grund für die Frauen, auf Schreyers Hoek zu schreien und zu weinen. Das Stück bevorzugt diese Interpretation – es gibt noch andere Erklärungen, die vermutlich realistischer sind. Aber es geht hier eben um Theater.

In preußischer Zeit beginnt die zweite Phase der Emder Heringsfischerei. Man gründet die Emder Heringsfischerei Kompanie. Sie wird von König Friedrich II mit einem Oktroi, einem Privileg ausgestattet: Das Emder Unternehmen darf als einziges in preußischen Landen Hering fangen.

Dieses wurde dominiert durch musikalische Beiträge. Es begann mit dem 70er Jahre-Hit „I am sailing“, sodann spielte eine Bläsergruppe Lieder zwischen „What shall we do with a drunken sailor“ bis zum „Yellow submarine“. Erst danach setzten die theatralen Szenen ein, die sich mit chorischen Beiträgen abwechselten und einen bunten Gang durch maritimes Liedgut zusicherten – beginnend mit dem Wal-Shanty „Wellerman“ über den Schlager „Blaue Nacht im Hafen“ bis zum Lied vom alten Seemann, der nachts nicht schlafen kann. Eine ganz ausgezeichnete Band sorgte für den jeweils angepassten Sound.

Fazit: Das Stück ist als Revue, als Abfolge von Nummern aufgebaut. Das wird ausdrücklich auch so angekündigt. Dennoch vermisst man einen dramaturgischen Verlauf, der auf einen Höhepunkt zusteuert und der dem Thema einen nachhaltigen Charakter gibt.

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