Die fachliche Quintessenz eines Lebens

Aurich. Es ist 700 Seiten stark, wiegt 1,8 Kilo und enthält die fachliche Quintessenz eines Lebens, das sich intensiv mit dem ostfriesischen Kunstgewerbe beschäftigt hat. Der Antiquar Horst H. Arians ist der Autor des Buches, das schon jetzt als Standard-Werk für Sammler und Forscher gilt. „Die Gold- und Silberschmiede Ostfrieslands“ ist der schlichte Titel des Bandes, der ausdrücklich kein Lesebuch, sondern ein Nachschlagewerk sei, macht Dr. Nina Hennig deutlich. Die Volkskundlerin der Ostfriesischen Landschaft hat die Herausgabe drei Jahre lang begleitet und die Redaktion des Werkes übernommen.

Bernd Böke, Stiftungsvorstand der Hans-Heyo Prahm Stiftung, Horst H. Arians, Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger Hintere Reihe: Dr. Claas Brons, Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Gerhard ten Doornkaat Koolman Stiftung, Dr. Nina Hennig, Leiterin der Museumsfachstelle/Volkskunde der Ostfriesischen Landschaft, Landschaftspräsident Rico Mecklenburg. Bild: Sebastian Schatz

771 Gold- und Silberschmiede hat Arians, der sich seit einem Dutzend Jahren fast ausschließlich mit der Sammlung und Systematisierung der Kunsthandwerker und ihrer Arbeiten seit dem 16. Jahrhundert beschäftigt, zusammengetragen. Möglich wurde dies, weil seine Frau, Annegret Arians, ihm während der ganzen Zeit den Rücken freigehalten habe.

Eigentlich war er der Meinung, dass die jahrelange Suche nunmehr abgeschlossen sei, und er hatte das gedruckte Buch schon in der Hand – da entdeckte sein Neffe einen kleinen Silberlöffel mit einem unbekannten Meisterzeichen.

Mehrfach war in den letzten Jahren der Drucktermin verschoben worden, denn immer tauchten neue Marken oder Zeichen auf, die noch eingearbeitet werden mussten – der Vollständigkeit halber. Doch anscheinend, so musste Arians feststellen, gibt es trotz aller Sorgfalt bei der umfassenden Suche doch noch Meister, die noch nicht entdeckt wurden.

Arians hatte 2011 sein Buch über „Riechdosen und Kleinsilber aus Ostfriesland“ vorgelegt. Es war sofort vergriffen, sodass 2018 eine zweite Auflage erfolgte. Dieses Buch war die Grundlage, die der Kunsthändler nun geduldig weiter ausbaute. Die Ausbeute seiner systematischen Beschäftigung war enorm. So konnte er bei einer Pressekonferenz im Haus der Ostfriesischen Landschaft konstatieren, dass er allein 50 Gold- und Silberstücke des 16. und 17. Jahrhunderts in den Händen gehalten und untersucht habe.

Das älteste Stück von 1574 konnte nicht in die Publikation aufgenommen werden, da sich keine Meisterzeichen darauf fanden. Ein Becher von 1584 jedoch ließ sich einem Goldschmied S. aus Emden zuordnen. Anhand seiner Fundlisten und Diagramme konnte Arians den gesuchten Meister schließlich finden. Es müsse sich um Willem Schinkel handeln, der 1583 in Emden Meister wurde und 1603 hier starb.

„Solch ein Buch wird wohl nicht noch einmal geschrieben werden“, meint Nina Hennig und bezieht sich dabei auch auf die raffinierten Zugänge, die Arians eröffnet, um Stücke identifizieren zu können – zum Beispiel bei den Meisterzeichen. Die sind alphabetisch geordnet, aber manchmal ist der erste Buchstabe nicht mehr lesbar. Also gibt es eine Tabelle, bei der die Meisterzeichen von rechts nach links notiert sind. So bestehe immerhin eine gewisse Chance, einen Goldschmied noch identifizieren zu können.

Aber auch die Lötigkeit oder der Jahresbuchstabe bieten Aufschlüsse, um ein Objekt näher kennlich zu machen. So weiß Arians, dass der Feingehalt von Zunftsilber bei 13 Lot lag. Stellt man 12 Lot fest, ist das Objekt nach 1800 entstanden. In einem Fall – einer Kanne aus Aurich -wies der Stempel sogar auf 14-lötiges Silber hin.

Neben seinen Besichtigungstouren durch Museen und private Sammlungen hat Arians endlos viele Fotos machen können, Meisterzeichen identifiziert und Jahreszahlen entdeckt. Zudem hat er sich auch kreuz und quer durch die Literatur gelesen. Er selber besitzt 3,4 laufende Meter Bücher über Silber. „Horst Arians hat wirklich alle Quellen abgegrast und abgearbeitet – aber abgeschlossen ist ein solches Buch wohl nie“, stellte Nina Hennig fest.

Dass Arians überhaupt soweit kam, ein solch dickes Buch zu entwickeln, ist zu einem Gutteil dem einstigen Denkmalpfleger des Landkreises Aurich, Jan Smidt (1955 bis 2018), zu verdanken. „Smidt hatte ein fotographisches Gedächtnis und konnte sich auch nach Jahren noch an Details von Silbersachen erinnern, die er gesehen hatte,“ zollte Dr. Claas Brons dem Kunstexperten Respekt. Auch Arians profitierte von dessem „phänomenalen Gedächtnis“, und widmete sein Werk dem Silberkenner, der in Greetsiel das Steinhaus der Cirksena, eingebaut in einen Bauernhof, entdeckte und freilegte.

Die Gerhard ten Doornkaat-Koolman-Stiftung, deren Vorsitzender Brons ist, hat den Druck des Buches ebenso gefördert wie die Hans-Heyo Prahm Stiftung. Deren Vorsitzender, Bernd Böke, stellte fest, dass er noch nie einen Antrag in Händen gehalten habe, der derart passgenau den Förderrichtlinien der Stiftung entsprochen habe. Weitere Förderer der Buchherausgabe sind die Hilke und Fritz Wolff Stiftung sowie der Lions Club Uplengen.

► Das Buch „Die Gold- und Silberschmiede Ostfrieslands“ kostet 59 Euro und ist über die Ostfriesische Landschaft und bei Horst Arians in Remels zu beziehen, ISBN 978-3-940601-68-1