Himmelblau nach Leuenberg
In der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden fand ein Festakt zum 50. Jahrestag des Abschlusses der Leuenberger Konkordie statt. Dazu gab es Reden – teils humorvoll, teils politisch.
Emden. Wie kann man es sich bildlich vorstellen, wenn Theologen aus dem Nordwesten im März 1973 aufbrechen, um zur Versammlung evangelischer Kirchen aus ganz Europa nach Basel in die Schweiz zu fahren, um dort ein Papier zu unterzeichnen, das heute als „Leuenberger Konkordie“ bekannt ist?
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Dr. h.c. Annette Kurschus, setzte einen fiktiven Pastor aus Emden in einen himmelblauen VW-Käfer und ließ ihn erst einmal nach Leer fahren, um dort den reformierten Landessuperintendenten Gerhard Nordholt abzuholen, der sich seit Jahren für den Zusammenschluss engagiert habe. „Dabei mussten alle Beteiligten beträchtliche Entfernungen überwinden – und das nicht nur kilometermäßig“, betonte Kurschus. Denn erst nach mehreren Überarbeitungen lag nun ein Papier vor, das unterschriftsreif war. Der Text stand. Eine nochmalige Prüfung ergab, dass keine weiteren Änderungen eingearbeitet werden mussten.
Was aber ist die „Leuenberger Konkordie“, die nach dem Ort ihrer Unterzeichnung benannt wurde. In einem Tagungszentrum auf dem Leuenberg fand statt, was 450 Jahre der Trennung zwischen den evangelischen Kirchen beendete. „Herzensgemeinschaft und Zusammengehörigkeiten“ seien dokumentiert worden, sagte Kurschus, die damit auf die Übersetzung des lateinischen Begriffs „Kon-Cordie“ abhob – con = miteinander, cor = das Herz. Es ging um Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, die Prädestinationslehre und die gemeinsame Verkündigung. 49 Kirchen hätten damals unterschrieben. Heute gehören der aus der Konkordie erwachsenen Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) 96 Kirchen an.
Für die GEKE gab deren Generalsekretär, der Schweizer Pfarrer Mario Fischer, eine politische Einschätzung ab, die ausging von einer Zustandsbeschreibung Europas als einem Kontinent, der einen massiven Bedeutungsverlust erlebt – und mit dem Erdteil zugleich auch die Kirchen. Dabei seien die evangelischen Kirchen ohnehin in der Minderheit. Nur 40 von 500 Millionen Europäern gehörten ihnen an, davon 20 Millionen in Deutschland. Da brauche es eine gemeinsame Stimme, um überhaupt Gehör zu finden. Und in diesem Zusammenhang sei es klug, wenn die evangelischen Kirchen nicht zu jedem Thema ihre Meinung sagten, sondern sich auf Kommentare zu besonderen Ereignissen beschränkten.
Kirchenpräsidentin Susanne bei der Wieden warf einen Blick in die Zukunft: „Ich träume, dass unsere Urenkelkinder einander – und wiederum ihren Kindern und Kindeskindern – evangelische Geschichten von einem friedlichen Leben in Europa erzählen können und werden.“
Eingangs hatte der wissenschaftliche Vorstand der Bibliothek, Professor Dr. Kestutis Daugirdas, darauf verwiesen, dass Professor Dr. Dr. h.c. Michael Beintker, Initiator des Festaktes, dem Haus seit langem als Vorstand des Wissenschaftlichen Beirates verbunden ist. Oberbürgermeister Tim Kruithoff machte deutlich, dass die Bibliothek die Vielfalt der Konfessionen in Gestalt der unterschiedlichsten Abendmahlsgeräten bewahre und dass es im Geist der Ökumene sei, Spannungen zu überwinden und gemeinsame Werte zu betonen.
Musikalisch begleitet wurde der Festakt vom Harfenduo Lea und Sarah Weiss aus Aurich. Sie spielten unter anderem Arrangements der „Morgenstimmung“ von Edvard Grieg und des „Libertango“ von Astor Piazolla. Besonderen Beifall ernteten sie mit dem „Baroque Flamenco“ von Deborah Henson-Conant, angesiedelt zwischen klassischen Klängen und Jazz.
Vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung durften die Gäste einen Blick auf die bibliophilen Schätze im Magazin der Bibliothek werfen und erhielten einen kurzen Einblick in die aktuell laufende Ausstellung „Antje Brons und ihr Jahrhundert“.