Ein Fest der Farben
Emden. Das traditionelle Adventskonzert der Ostfriesischen Volksbank eG in der Johannes a Lasco Bibliothek feierte am Freitagabend (8. Dezember) Jubiläum. Es findet seit 25 Jahren statt, wie Vorstandsvorsitzender Holger Franz betonte. Aus diesem Anlass sollte es eine ganz besondere Veranstaltung werden – man hatte Professor Matthias Kirschnereit, den künstlerischen Leiter der Gezeitenkonzerte, eingeladen. Und der Pianist brachte einen Musiker mit, der gerade eine steile Karriere hinlegt – Francisco Fullana.
Das Duo hatte bereits in diesem Jahr bei den Gezeitenkonzerten das Publikum hingerissen – mit einem ähnlichen Programm. Doch das Volksbank-Programm zielte in vielfacher Weise auf konzentrierte Klangerlebnisse, die man wohl am ehesten der Spätromantik zuordnen kann. Beethovens Sonate op. 24, „Frühlingssonate“ genannt, bildete den stimmungsvollen Auftakt. Und wenn Fullana seiner Geige die zartesten Töne, aber auch die schillerndsten Farben und feinsten Nuancen entlockte, so rührte das die Besucher in der voll besetzten Johannes a Lasco Bibliothek zutiefst. Die feinen Tonspiele, die Fullana auf seiner Geige vollführte, schienen sich geradezu aus dem Irdischen zu lösen – so filigran waren sie gesponnen.
Kirschnereit schwamm mit Fullana auf einer musikalischen Wellenlänge. Die beiden Musiker passen perfekt zusammen – und vor allem verbreiten sie in ähnlicher Weise gute Laune und teilen ihre Freude an der Musik, was im Saal wohl registriert wurde. Es gab einen wunderbaren Debussy, dessen Violinsonate von 1917 den Geiger zu nahezu akrobatischen Leistung zu animieren. Unstrittiger Höhepunkt aber war das Schlusswerk: Ignaz Paderewskis Sonate a-Moll, op. 13. Es ist so temperamentvoll, dass sich die Musiker voll und ganz in das spannungsvolle Musikabenteuer stürzten und das mit unstrittiger Bravour.
Abenteuerlich für beide Künstler war übrigens auch die Reise nach Emden. Fullana kam aus den Vereinigten Staaten, flog nachts Richtung Europa, landete in London und musste am Freitag eilends mit einem weiteren Flieger nach Hamburg. Dort wartete schon Matthias Kirschnereit. Wegen des Lokomotivführer-Streiks konnten die beiden nicht mit der Bahn nach Emden kommen. Ein Mietwagen war nicht mehr zu bekommen. Allerdings konnten die Veranstalter dann auf ganz andere Hilfe setzen. Zufällig hielt sich ein Volksbankmitarbeiter in Hamburg auf, der nach Emden zurückfuhr. Der nahm die beiden Musiker mit – wo sie sich umgehend in eine Probe stürzten. Fullana ließ sich seinen Jetlag nicht anmerken, noch weniger ließ er sich durch ihn ablenken von seinem leidenschaftlichen Spiel.
Doch damit war das Abenteuer noch nicht zu Ende. Denn das Duo sollte am Folgeabend auf Mallorca spielen. Also wurden sie noch Freitagnacht weiter nach Bremen gefahren, um am Morgen den Flieger in den Süden zu nehmen. In der Folgewoche steht zudem eine CD-Aufnahme in einem Tonstudio vor Ort auf dem Programm. – Musiker brauchen offensichtlich eine besonders robuste Konstitution, um neben den hohen künstlerischen Anforderungen auch noch die organisatorischen Hindernisse zu bewältigen.
Es gab Zugaben. Und zwar gleich drei. Fritz Kreislers „Liebesleid“ war eine Verneigung vor dessen Guarneri-Geige „Mary Portman“, die seit 2016 von Fullana gespielt wird. Dann gab es eine Kleinigkeit von Manuel des Falla – ein ganz außergewöhnlich kurzer, aber höchst energetischer Satz. Und schließlich „Ballada“ aus der Violinsonate von Leo Janacek. Welch‘ ein Fest der Farben, der Nuancen, der Feinheiten war dieser Abend! Ganz großartig.