Ein Spion mit ernüchternder Bilanz

Aurich. Der neue Leiter der Landschaftsbibliothek, Dr. Heiko Suhr, hat sich am Montag (15. Januar) mit einem Vortrag über den aus Leer stammenden Spion Hilmar Dierks (1889 bis 1940) im Forum der Ostfriesischen Landschaft der Öffentlichkeit vorgestellt. Suhr, der seit November 2023 das Amt von Dr. Paul Weßels übernommen hat, erinnerte an den Ostfriesen vor allem anhand von Briefen, die dieser 1915 im Gefängnis von Vlissingen geschrieben hat. Dieses kleine Konvolut von Nachrichten hat sich in der Familie erhalten und wurde von den Enkeln als Material zur Verfügung gestellt, wie Suhr erläuterte.

Der Leeraner auf einem Foto von 1917

Dierks, der völlig unerfahren in der Spionage war, hatte den Auftrag, eine ganze Anzahl von Agenten anzuwerben, die England ausspionieren sollten. Über einen Mittelsmann konnte er tatsächlich viele junge Leute zusammenbringen, die ohne jene Vorbereitung über den Kanal geschickt wurden – und auf ganzer Linie scheiterten. Sieben von ihnen wurden gar im Tower gehängt – eine Schuld, die Dierks nie als seine anerkennen wollte, sagte Suhr.

Der Referent stieß auf den Namen des Leeraners im Zuge der Studien zu seiner Dissertation über Admiral Wilhelm Canaris. Der hatte eine nachrichtendienstliche Ausbildung genossen, Dierks war als Beispiel für einen nicht ausgebildeten Agenten benannt worden. Im Zuge seiner Recherchen fand Suhr heraus, dass noch Nachkommen von Diercks existieren.

Die Briefe aus dem Gefängnis besagen, dass der Spion in einer sieben Quadratmeter großen Zelle mit undurchsichtigem Fenster inhaftiert war. Der Tag war durchgetaktet, aber völlig ereignislos. Dierks konnte zwar dank seines finanziellen Hintergrunds das kümmerliche Essensangebot deutlich verbessern, doch litt er unter der Untätigkeit und der fehlenden geistigen Beschäftigung. In seinen Briefen hat er sich sehr offen über die Haftbedingungen ausgesprochen, dennoch überstanden sie die doppelte Zensur durch niederländische und deutsche Stellen. In Deutschland habe sogar eine Dauernotiz an der Grenze darauf hingewiesen: „Beschleunigt zu befördern. Deutscher Spion!“

Eine Bilanz der Arbeit von Dierks? Ernüchternd, sagte Suhr. Die Agenten, die vor allem den Schiffsverkehr observieren sollten, wurden mühelos enttarnt, arrestiert oder getötet. Ergebnisse gab es keine. Die Engländer seien schon bei Ankunft der Spione umfänglich über sie informiert gewesen. Grund dafür war die Ungeschicklichkeit, mit der im I. Weltkrieg agiert wurde. Dierks hatte zum Beispiel Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte angestellt, die wiederum anderen von ihrem Tun berichteten. Eine neue Identität schaffte man nach Auffassung des Leeraners mit simplen Methoden: veränderter Haarschnitt, Brille, Zigarre.

Hilmar Dierks blieb auch im II. Weltkrieg nachrichtendienstlich tätig, bis er 1940 mit 51 Jahren starb. Er war in einen Verkehrsunfall verwickelt.